Neonikotinoide schwächen Singvögel

Insektizide schaden nicht nur Insekten und Bodenlebewesen, sie sind auch direkt verantwortlich für die Schwächung der Singvögel.
Biodiversität schwindet
Oktober 2, 2019

Fausta Borsani

Neonikotinoide bilden eine weit verbreitete Gruppe von potenten Pestiziden. Der landwirtschaftliche Einsatz gewisser Neonikotinoide ist in der Schweiz verboten, andere dürfen auf konventionellen Anbauflächen eingesetzt werden. Obwohl Neonikotinoide nur in der konventionellen Landwirtschaft zulässig sind, sind praktisch alle Böden der Schweiz mit diesen Insektiziden verunreinigt. Die Verunreinigungen gehen zurück auf verwirbelte Bodenpartikel, verwehte Tröpfchen der Spritzbrühe oder sie werden mit dem über den Boden abfliessendes Niederschlagswasser transportiert. Neonikotinoide können auch Jahre nach dem Einsatz und weit vom Einsatzort entfernt nachgewiesen werden[i].

Neonikotinoide wirken sich insbesondere auf Bestäuber von Blumen und Nutzpflanzen negativ aus. Auch ein zunehmender Anteil an weiteren Insekten, an Spinnen und Würmern wird schleichend von Neonikotinoiden vergiftet. Das Insektensterben bestätigt den Zusammenhang. Über alle 230 zugelassenen Pestizidwirkstoffe betrachtet, haben die Neonikotionide (nebst künstlichen Pyrethroiden und Organophosphaten) die höchste Giftwirkung auf Insekten. Das ist leider erst die halbe traurige Geschichte. Sie hat ihre Fortsetzung bei weiteren verletzlichen Geschöpfen, den Vögeln: insektenfressende Vögel finden weniger Nahrung und das führt bei mancher Vogelart zum Rückgang und zur Gefährdung des Bestandes[ii].

Über die Auswirkungen von Neonikotinoiden auf Zugvögel, die in landwirtschaftlichen Gebieten auf Nahrungssuche gehen, war bislang wenig bekannt. Eine neue Studie aus Kanada untersuchte wie das Neonikotinoid Imidacloprid das Verhalten von wandernden Singvögeln beeinflusst[iii]. Wenn die Vögel mit dem Futter vom Feld Imidacloprid aufnehmen, fressen sie insgesamt weniger, was zu weniger Körpermasse und Fettreserven führt. Deshalb starten sie später in den Vogelzug und sind weniger widerstandsfähig als unbelastete Vögel. Dasselbe Problem besteht in den Ruhe- und Fressphasen während der Migration. Die kanadische Studie zeigte: Die Aufnahme von realistischen Mengen Imidacloprid durch amerikanische Dachammern (Zonotrichia leucophrys) während eines Zwischenstopps im Vogelzug bewirkte eine rasche Verringerung der Nahrungsmittelaufnahme, der Körpermasse und des Körper-Fettgehalts. Die Vögel waren so insgesamt geschwächt und hatten weniger Bruterfolg. Wenn eine Vogelpopulation auch nur 3 Prozent pro Jahr abnimmt, stirbt sie in einigen Jahrzehnten aus.


[i] Humann-Guilleminot S, Binkowski ŁJ, Jenni L, Hilke G, Glauser G, Helfenstein F. A nation-wide survey of neonicotinoid insecticides in agricultural land with implications for agri-environment schemes. J Appl Ecol. 2019;00:1–13.
https://doi.org/10.1111/1365-2664.13392
[ii] https://www.nature.com/articles/nature13531
[iii] Margaret L. Eng, Bridget J. M. Stutchbury, Christy A. Morrissey
A neonicotinoid insecticide reduces fueling and delays migration in songbirds
Science  13 Sep 2019: Vol. 365, Issue 6458, pp. 1177-1180, DOI: 10.1126/science.aaw9419

Newsletter

Bleib informiert über aktuelle Themen

Sie können sich jederzeit wieder abmelden.