Ungeahnt giftige Konzentrationen in Bächen

In der Regel werden Wasserproben über mehrere Tage hinweg gesammelt und dann im Labor analysiert. Nun zeigen neue Messungen vom Wasserforschungsinstitut Eawag, dass mit diesen Mischproben kurzzeitige Konzentrationsspitzen von Pestiziden stark unterschätzt werden. Die Werte sind teilweise so hoch, dass sie für Wasserlebewesen sehr giftig sind.
Der Taumelkäfer wird zum Beispiel stark geschädigt durch hohe Pestizidkonzentrationen. Bild: Pixabay
Dezember 3, 2020

Fausta Borsani

Seit vielen Jahren misst Eawag in Schweizer Gewässern die Konzentrationen von Pestiziden. Bisher entnahmen die WissenschaftlerInnen dazu während dreieinhalb Tagen Wasserproben und mischten sie. Solche Mischproben erfassten Konzentrationsspitzen, die nur wenige Minuten oder Stunden anhalten, nicht. Im Behälter der Mischprobe erfolgt vielmehr eine starke Verdünnung – und nur der Durchschnittswert über die 3.5 Tage ist messbar.

Messungen «live»

2015 startete die EAWAG mit der Entwicklung eines neuen Messwagens, dem sogenannten «MS2Field» (Mass Spectrometer to Field). MS2Field kann einem Gewässer alle 20 Minuten eine Probe entnehmen und sofort, also innerhalb von wenigen Minuten deren Schadstoffgehalte bestimmen. Letztes Jahr (2019) konnte die EAWAG im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) mit MS2Field schon 10’000 Proben aus verschiedenen Gewässern pumpen und auf ihren Pestizidgehalt untersuchen.

Das mobile Wasserlabor das «live» Messungen erlaubt. Bild: EAWAG

Insektizid in höchst bedrohlichen Konzentrationen für das Wasserleben

Beim Insektizid Thiacloprid, das heute breitflächig gegen Schadinsekten im Obst-, Beeren-, Gemüse-, Kartoffel-, Raps- und Getreideanbau gespritzt wird, wurde der in der Gewässerschutzverordnung verankerte Wert, der eine akute Schädigung von Gewässerorganismen verhindern soll, mehrmals und bis zu 30-fach überschritten. Die höchsten Konzentrationen aus den MS2Field-Messungen übertrafen bei vielen Pestiziden die Mittelwerte, die mit den Mischproben ermitteln wurden, gar bis um das 170-fache! Das ist umso alarmierender, weil auch bei den Mischproben schon regelmässig Grenzwerte und für Wassertiere tödliche Konzentrationen überschritten werden. Die kurzzeitigen Konzentrationsspitzen von Pestiziden in kleinen Flüssen und Bächen nahe der Landwirtschaft bedrohen also unsere Wasserlebewesen – mit gravierenden Folgen für die Fische und das ganze Ökosystem. Viele Messungen bestätigen mittlerweile diese Resultate.

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