Fausta Borsani
Über Jahrzehnte bewilligte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf der Grundlage von Studien von Pestizidfirmen wie Syngenta und Bayer hochgiftige Pestizide in Eigenregie. Erst in den letzten Jahren begannen weitere Bundesstellen stärker mitzureden, so etwa das Staatssekretariat für Wirtschaft bei der Arbeitssicherheit oder das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen beim Trinkwasserschutz. Aussen vor blieb jedoch das Bundesamt für Umwelt, weil das BLW selbst einschätzen durfte, ob und wie ein Wirkstoff die Natur schädigt. Das BLW stand und steht allerdings in einem Interessenkonflikt zwischen der Produktionssteigerung durch giftige Pestizide und dem Schutz der Umwelt. Es kontrolliert zudem die Fachstelle Agroscope, welche die Grundlagen zur Umweltrisikobeurteilung erhebt. Ende 2019 stellte ein Bericht des Bundes fest, dass das Zulassungsverfahren Mängel aufweist, darunter auch die problematische Rolle des BLW.
Nun hat der Bundesrat dem Bundesamt für Landwirtschaft die Kompetenz zur Bewilligung von Pflanzenschutzmitteln per 1. Januar 2022 entzogen und auf das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen übertragen. Und das Bundesamt für Umwelt ist neu hauptverantwortlich bei der Beurteilung der Risiken für die Umwelt. Das Bundesamt für Landwirtschaft bleibt allerdings für landwirtschaftliche Aspekte zuständig.
Kommentar:
Nach monatelangem Schweigen hat der Bundesrat eine Lösung präsentiert, die noch keinen Biss hat, um die Natur und die Menschen vor giftigen Pestiziden effektiv zu schützen. Das Zulassungsverfahren wird nun zwar besser und unabhängiger geregelt und der Einfluss des Bundesamts für Landwirtschaft wird beschränkt. Es bleiben aber viele inhaltliche Mängel der Pflanzenschutzmittelverordnung selbst. Sie strotzt nur so vor veralteten Prüfvorschriften, unscharfen Formulierungen, epischer Länge und Ausnahmen, so dass sich die Behörden trotz offensichtlicher Vergiftung von Gewässern, Böden und Luft weitgehend frei fühlen, zu Gunsten der Pestizidhändler und Hersteller zu entscheiden, anstatt schädlichen Pestiziden die Bewilligung zu versagen.
Ob sich dies verbessert, nur weil das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen und das Bundesamt für Umwelt nun am Zug sind? Offen ist derzeit vor allem, welche Personen dort die neuen Aufgaben übernehmen. Sollen etwa die heute zuständigen MitarbeiterInnen in den neu zuständigen Bundesämtern Platz nehmen? Nimmt das Bundesamt für Umwelt endlich das Vorsorgeprinzip und den Artenschutz ernst oder setzt es die saloppe Arbeitsweise des Bundesamts für Landwirtschaft fort? Werden Gewässer-, Böden-, Biodiversitäts- und DriftspezialistInnen beigezogen? Und wenn das Bundesamt für Landwirtschaft für landwirtschaftliche Belange zuständig bleibt: Was heisst das genau? Darf sich das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen erlauben, die Gesundheit von Mensch und Natur oder Qualität des Trinkwassers über die pestizid-intensive Lebensmittelproduktion zu stellen? Der Verein ohneGift bleibt dran!