Fausta Borsani
Gäbe es einen Preis für das dümmste Mittel im Umgang mit dem Grün vor der eigenen Haustür, hiesse der Gewinner «Selectox Royal P» – vertrieben u.a. von Coop. Als sogenannt selektives Rasenherbizid wird es gepriesen, das allen Rasenpflanzen, die breite Blätter haben, zum Beispiel dem hässlichen Weissklee den Garaus macht. Weissklee könnte zudem Bienen anlocken, deren Stiche zu den grössten Bedrohungen der Menschheit zählen. Ironie beiseite: Die «ästhetische» Säuberung zahlt die Natur und der Mensch, denn «Selectox Royal P» gefährdet Lebewesen in den Gewässern und belastet unser Grundwasser – und auch unser Trinkwasser. Das Gift ist wasserlöslich, kann also durchaus in einen Bach, See oder Fluss gelangen.
Selectox Royal P enthält «MCPA», das giftig wirkt auf Wasserlebewesen. Sehr giftig für diese ist vor allem sein Abbauprodukt «MCP»[1]. Weiter enthält es «Mecoprop P», ein Wirkstoff, das wiederholt in den Abflüssen der Abwasserreinigungsanlagen und im Grundwasser gefunden wurde[2]. Es verunreinigt damit unser Trinkwasser, wo es sicher nicht hingehört. Ein weiterer Wirkstoff ist «Dicamba». Dicamba verdampft bei wärmeren Wetter[3] und gelangt dadurch in Nachbars Gemüsebeet. Dicamba ist zudem giftig für Algen und höhere Wasserpflanzen und steht im Verdacht, Leber- und Galleblasenkrebs zu erzeugen.[4]
Die Anwendung von «Selectox Royal P» im Hausrasen ist weder für die Ästhetik noch für Mensch und Natur sinnvoll, sondern einfach nur dumm. Die Anwendung von gefährlichen Pestiziden im privaten Bereich sollte sofort verboten werden.
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/MCPA (abgerufen: 21.3.2022)
[2] Monitoring_PSM_Rückstände_Grundwasser__Reinhardt_etal_2017
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Dicamba (abgerufen: 21.3.2022)
[4] Dicamba use and cancer incidence in the agricultural health study: an updated analysis, in: Int J Epidemiol, 2020 Aug 1;49(4):1326-1337, siehe: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32357211/
One Health
Der Einsatz synthetischer Pestizide in der Schweiz ist nach wie vor zu hoch. Die Reduktionsziele des Bundes werden noch immer nicht erfüllt. Die Probleme des hohen Pestizid-Einsatzes sind seit Jahren bekannt: Gefährdung der Biodiversität und gesundheitliche Risiken für Menschen, die über längere Zeit mit verschiedenen synthetischen Pestiziden in Berührung kommen. Für die Landwirtschaft ist aber eine intakte Umwelt mit gesunden Böden Voraussetzung, um auch in Zukunft ausreichend Lebensmittel produzieren und die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.
Die Vision «One Health» der FAO umfasst die Gesundheit von Menschen, Tieren (Haus- und Wildtiere) und Umwelt. Das ganzheitliche Konzept steht im Zentrum der internationalen Pestizidfrei-Aktionswoche, die vom 20. bis 30. März 2022 bereits zum 17. Mal stattfindet. l