Der Verein ohneGift fordert:
Auch in der Schweiz muss die Anwendung von Cypermethrin in der Blütezeit verboten werden, damit insbesondere Bestäuberinsekten nicht noch mehr geschädigt werden.
Drastischer Rückgang der Bestäuberinsekten
In den letzten Jahrzehnten wurde ein starker Rückgang der Bestäuberinsekten festgestellt, sodass von einer «Bestäubungskrise» gesprochen wird (siehe früheren Blogbeitrag). Der Hauptgrund dafür ist neben dem Lebensraumverlust die Gefährdung durch Umweltgifte. Diese Entwicklung ist erschreckend, denn Bestäuberinsekten erbringen eine wichtige Leistung für die Landwirtschaft, in dem sie bei vielen Kulturen Erträge überhaupt erst möglich machen. Gerade in der Blütezeit ist die Aktivität der Bestäuberinsekten beispielsweise in Obstanlagen und auf artenreichen Wiesen hoch. Cypermethrin ist ein solches Umweltgift.
Wirkung und Toxizität von Cypermethrin
Cypermethrin ist ein synthetisches Pyrethroid-Insektizid. Es wirkt in Organismen auf das Nervensystem. [1] Cypermethrin wird im Gemüsebau beispielsweise gegen Erdflöhe und Erdraupen (Zielarten) eingesetzt. Der Stoff ist aber auch für Nichtzielarten, also für Nützling (einschliessliche Bienen und Wasserlebewesen) hochtoxisch.[2], [3]
Nachteilige Auswirkungen auf Wasserorganismen wurden bereits bei Konzentrationen von 0,0013 μg/l beobachtet (dies ist etwa so viel, wie wenn 100 Zuckerwürfel vom Wirkstoff im ganzen Zugersee aufgelöst und gleichmässig verteilt würden).[4] Die EU hat eine Höchstkonzentration von 0.0038 µg/Liter für Wasserkörper festgelegt. In der GSchV in der Schweiz sind die Grenzwerte auf 0.00044 Mikrogramm/l für die akute und 0.00003 Mikrogramm/l für die chronische Belastung angegeben. Das Schweizerische Oekotoxzentrum hat bereits 2017 den Vorschlag gemacht, den chronischen Grenzwert auf 0.00003 μg/l als (chronisches Qualitätskriterium; siehe unten) festzulegen.[5] Dieser Grenzwert ist 100 Mal kleiner als derjenige der EU, und in der Schweiz gilt keiner von beiden.
Weiter werden Cypermethrin endokrinschädigende Eigenschaften (schädlich für das Hormonsystem) für den Menschen zugeschrieben.[6], [7]
Chronisches Qualitätskriterium, was bedeutet das?
Dies ist ein Wert, welcher für das Monitoring der Gewässerqualität festgelegt wird. So können Belastungen über einen längeren Zeitraum abgeschätzt werden und Organismen vor den Folgen von Langzeitbelastungen geschützt werden.
Cypermethrin in der Schweiz
In der Schweiz wird Cypermethrin bevorzugt als Insektizid im Gemüsebau eingesetzt.[8] Momentan sind 14 Produkte mit dem Wirkstoff zugelassen. 2023 lag die Verkaufsmenge bei rund 500 kg. Auf den ersten Blick scheint das wenig. Wenn man jedoch bedenkt, in welch winzigen Konzentrationen der Stoff wirkt, kann mit dieser Menge das aquatische Leben in tausenden von Kilometern Bächen ausgelöscht werden.
Die Anwendungsbestimmungen für Cypermethrin in der Schweiz weichen von den EU-Sonderbestimmungen ab. Die EU verbietet die Anwendung von Cypermethrin, wenn sich die zu behandelnden Kulturen oder ihre Begleitflora (sogenanntes Unkraut) in der Blütezeit befinden. Denn: Wenn in der Vollblüte gespritzt wird, trifft es direkt auch Bestäuberinsekten, die dort Nektar saugen und Pollen sammeln. Von Vollblüte spricht man, wenn über die Hälfte der vorhandenen Blüten an der beobachteten Pflanze geöffnet sind.[9]
Cypermethrin darf in der Schweiz auch in der Vollblüte ausgebracht werden. Dies gefährdet alle Insekten, die diese Blüten besuchen. Unter anderem sind Schmetterlinge, Nachtfalter, Käfer, Wildbienen und Hummeln betroffen. Der Schweizer Sonderweg ist damit äusserst schädlich für Nutzarthropoden im Allgemeinen und für Bestäuberinsekten im Besonderen.
Cypermethrin – ein gefährlicher Stoff
Auch dem Bund ist bekannt, dass Cypermethrin hochtoxisch ist.
Quelle: Bildschirmfoto aus dem Pflanzenschutzmittelverzeichnis (10.4.2024)
Cypermethrinrückstände in Biotopen von nationaler Bedeutung
Gemäss einer Studie von Hintermann & Weber (2021) sind sogar Biotope von nationaler Bedeutung mit zahlreichen Pestiziden belastet – darunter auch mit Cypermethrin. In der Studie wurden neun Amphibienlaichgebiete und drei Flachmoore in den Kantonen Zürich, Basel-Land, Thurgau, Aargau und St. Gallen untersucht. Die chronischen Qualitätskriterien von Cypermethrin gemäss Gewässerschutzverordnung (GSchV) wurden dabei um das 25-fache (!) überschritten.
Totalrevision der PSMV – verpasste Chance
Dass Cypermethrin gefährlich ist, weiss der Bund. Deshalb gibt es auch Auflagen für die Anwendung. Beispielsweise muss eine Pufferzone von 100 m zu Oberflächengewässern eingehalten werden. Ob dies reicht, ist fraglich. Circa ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Schweiz sind drainiert.[10] So kann der Stoff letztlich doch in unsere Oberflächengewässer gelangen. Weiter darf der Abstand von 100 m stark reduziert werden, wenn driftreduzierende Massnahmen wie z.B. besondere Spritzdüsen oder tieferer Abstand der Düsen zu den Pflanzen verwendet. Dabei handelt sich aber um Massnahmen, die von den Kantonen schwer bis unmöglich zu kontrollieren sind.
Im Parlament gab es zu diesem Thema in der Vergangenheit bereits mehrere Vorstösse. Isabelle Pasquier-Eichenberger (GPS) fragte 2020 in einer Interpellation an, wann Substanzen wie Pyrethroide (dazu gehört Cypermethrin) in der Schweiz verboten werden. Eine abschliessende Antwort gab der Bundesrat damals nicht, sondern bestätigte, dass die Zulassung für 7 Pyrethroide überprüft werde. Ende 2023 fragte Nik Gugger (EVP) in einer Fragestunde, was der Bundesrat plant, um Schutzgebiete vor Pestiziden wie Cypermethrin zu schützen (aufgrund der oben genannten Studie). Die wenig befriedigende Antwort war, dass die Untersuchungen der Studie im Jahre 2021 stattgefunden hätten und seitdem (insbesondere mit der Revision der Direktzahlungsverordnung 2023) wichtige Punkte des Aktionsplanes «Pflanzenschutzmittel» umgesetzt worden seien.
Der Verein ohneGift kritisiert, dass das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nun in der Vorlage für die neue Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV) den Vorschlag macht, am Schweizer Sonderweg in der Blütezeit festzuhalten. Cypermethrin muss aus dem Anhang 4.2 der PSMV gestrichen werden, die Schweiz darf nicht auf Kosten der Natur von den EU-Sonderbestimmungen abweichen.
[1] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3286848/
[2] https://www.pan-europe.info/press-releases/2022/09/pan-europe-takes-legal-action-against-cypermethrin-highly-hazardous-pesticide
[3] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37908758/
[4] https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2009.196r
[5] https://www.oekotoxzentrum.ch/expertenservice/qualitaetskriterien/qualitaetskriterienvorschlaege-oekotoxzentrum
[6] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30344292/
[7] https://consult.environment-agency.gov.uk/++preview++/environment-and-business/challenges-and-choices/user_uploads/cypermethrin-pressure-rbmp-2021.pdf
[8] https://www.psm.admin.ch/de/produkte/7106
[9] https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb08/Inst/pflanzenoek/forschungseinrichtungen/UKL/PhaeGaLi/Beobachteranleitung/bluete
[10] https://ira.agroscope.ch/de-CH/Page/Einzelpublikation/Download?einzelpublikationId=46591