Dicamba – in den USA vor Gericht, in der Schweiz weiterhin im Einsatz

Das Herbizid Dicamba wurde in den USA bereits 1964 zugelassen. Heute steht der Wirkstoff im Verdacht, für Mensch und Umwelt schädlicher zu sein als bisher angenommen. Im Februar 2024 hat die USA drei Herbiziden mit dem Wirkstoff Dicamba die Zulassung entzogen.
Diamba wird gebraucht, um beispielsweise diese Pflanzen zu beseitigen.
Nicht gern gesehen auf dem Rapsacker und darum zum Beispiel mit Dicamba beseitigt: Ackerkratzdistel (Cirsium arvense). Bild @Wikipedia

Das Wichtigste in Kürze:

  • Dicamba wird in den USA in grossen Mengen zur «Unkraut»-Bekämpfung eingesetzt; besonders im Anbau von Baumwoll- und Sojasorten, die gentechnisch gegen Dicamba resistent gemacht wurden.
  • Dicamba wird auch in der Schweiz in die Umwelt ausgebracht, hauptsächlich gegen «Unkräuter». Aktuell sind über 60 Produkte mit Dicamba zugelassen.
  • Auch eine jahrzehntelange Zulassung garantiert keine Sicherheit. Es gibt zunehmende Belege für ökologische und gesundheitliche Risiken des Wirkstoffs.

Der Verein ohneGift fordert:

Die Zulassung von Dicamba ist auch in der Schweiz zu überprüfen. 

Die Kombination von Dicamba-resistenten Sorten und Dicamba-Herbiziden ist in den USA ein gutes Geschäft

In den USA wird Dicamba in einem riesigen Umfang versprüht. Denn: Bayer (welche diese Produktsparte mit der Übernahme von Monsanto erhielt) hat mittels Gentechnologie Soja- und Baumwolle-Saatgut entwickelt, das gegen Dicamba resistent ist. Mit anderen Worten: Dicamba kann in diesen Baumwoll- und Sojakulturen versprüht werden, tötet dort alles „Unkraut“ ab, nicht aber Soja und Baumwolle. Der Dicamba-Einsatz soll sich dadurch seit 2020 etwa verzwanzigfacht haben.

Doch: Landwirte, die in der Umgebung der Felder herkömmliche Baumwolle und Soja ohne Herbizidresistenz anbauen, sind dadurch im Nachteil. Das Pestizid gelangt vom behandelten Feld auf dem Luftweg (Abdrift und Verdampfung) zu den Feldern mit herkömmlicher Baumwolle und Soja und schädigt diese. Gemäss der US-Nichtregierungsorganisation Beyond-Pesticides geschieht dies im grossen Stil. Tausende von US-Farmern werden jährlich geschädigt.[1] Bayer profitiert sogar noch davon, denn so werden Landwirte, die herkömmliches Saatgut verwenden, dazu gebracht, auf gentechnologisch verändertes Saatgut umzusteigen.

Im Februar 2024 hat ein US-Gericht die Zulassung von drei Dicamba-basierten Herbiziden wegen Verstosses gegen den «Endangered Species Act», ein wichtiges US-Gesetz für den Artenschutz, aufgehoben. Denn: Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass der Wirkstoff nicht so harmlos ist, wie es aufgrund der toxikologischen Tests bei der Zulassung im Jahre 1964 aussah (siehe Box: Wirkung und Toxizität von Dicamba).

Wirkung und Toxizität von Dicamba

Dicamba ist ein Herbizid. Es wirkt wie natürliche Pflanzenhormone, auch Auxine genannt. Diese Hormone helfen, das Pflanzenwachstum zu kontrollieren. Wenn Pflanzen mit Dicamba behandelt werden, löst dies ein starkes Wachstum aus. Dies führt zum Absterben der Pflanzen durch Nährstoffunterversorgung. Vorläufer dieses Auxins waren 2,4-D und Dichlorprop, von denen bekannt ist, dass sie reproduktionstoxisch und neurotoxisch wirken.[2]

Bisher galt Dicamba aus europäischer toxikologischer Sicht als relativ ungefährlich. Eine neue Studie von Attademo et al. aus dem Jahr 2021 zeigt jedoch eine hohe Biotoxizität bei Amphibienarten nach kurzzeitiger Exposition.[3] Diese Ergebnisse weichen von den offiziellen Datenblättern der Toxizitätsniveaus von Bayer ab. Und: Die Gefährdung von Amphibien wird im Europäischen (und im Schweizer) Zulassungsverfahren nicht einmal geprüft, obwohl 78 % der einheimischen Amphibienarten auf der Roten Liste stehen.

Auch für uns Menschen scheint der Stoff gefährlicher zu sein, als offiziell gemeldet. Eine Studie von 2020 weist eine starke Assoziation zwischen der Verwendung von Dicamba und einem erhöhten Risiko für verschiedene Krebsarten auf.[4] Weiterhin gibt es eine Vielzahl von medizinischen Studien, die die nachteiligen gesundheitlichen Auswirkungen von Dicamba, einschliesslich Nieren-/Leberschäden, Geburts-/Entwicklungsdefekte und Atemwegserkrankungen beschreiben.[5]

Wie ist die Situation in der Schweiz?

Momentan sind über 60 verschiedene Produkte mit dem Wirkstoff Dicamba in der Schweiz zugelassen.[6] Die jährliche Anwendungsmenge von Dicama in der Schweiz beträgt gut vier Tonnen.[7] Wie in den USA werden diese Produkte vor allem zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. Jedoch (noch?) nicht auf Feldern mit gentechnisch verändertem Saatgut. 

Was lässt sich aus diesem Fall für die Schweiz lernen?


1.  Falls gentechnischen Methoden in der Landwirtschaft vom Gesetzgeber je erlaubt werden sollten, müssen Pflanzen verboten bleiben, die resistent gegen Pflanzenschutzmittel sind. Andernfalls würde der Pestizideinsatz stark zunehmen.


2. Selbst bislang als unschädlich geltende Pestizide können schlimme ökologische und gesundheitliche Auswirkungen haben. 

3. Einmal mehr zeigt sich am Beispiel Dicamba, dass eine Giftwirkung für Amphibien besteht, was im europäischen und schweizerischen Zulassungsverfahren vernachlässigt wird.


4. Dicamba ist flüchtig und wird darum leicht verfrachtet. Künftige Analysen von Produkten in der Schweiz sollten auch Dicamba und seine Abbauprodukte miteinbeziehen.

5. Dicamba sollte insbesondere aus Sicht der Bio-Landwirtschaft auf die Liste der Problempestizide aufgenommen werden (Gefahr der Verfrachtung).


[1] https://beyondpesticides.org/dailynewsblog/2024/02/court-strikes-down-epas-allowance-of-weedkiller-dicamba-after-scathing-inspector-general-report/

[2] https://www.greenpeace.ch/static/planet4-switzerland-stateless/2019/05/361a91b6-361a91b6-2010_schwarze_liste_der_pestizide.pdf

[3]https://www.researchgate.net/publication/349518422_Effects_of_the_emulsifiable_herbicide_Dicamba_on_amphibian_tadpoles_an_underestimated_toxicity_risk

[4] https://academic.oup.com/ije/article/49/4/1326/5827818

[5] https://www.beyondpesticides.org/resources/pesticide-gateway?pesticideid=25

[6] https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2010/340/de

[7] https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/nachhaltige-produktion/pflanzenschutz/verkaufsmengen-der-pflanzenschutzmittel-wirkstoffe.html

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