Der Verein ohneGift fordert:
Grossverteiler (wie Coop und Migros) sollten mehr robuste Apfelsorten anbieten (wie z.B. Ariane, Rustica oder Ladina), anstelle von pestizidintensiven Sorten wie Gala oder Braeburn.
Massive Pestizidanwendungen in Apfelplantagen
Im Apfelanbau stehen Herbizide, Fungizide, Insektizide und Wachstumsregulatoren an der Tagesordnung. Im Südtiroler Vinschgau[1], dem europäischen Produktionsstandort für Äpfel schlechthin, werden auf einem durchschnittlichen Feld 38 Pestizidbehandlungen in einer Saison durchgeführt.[2] Dabei sind die Anwendungen nach der Ernte (für eine besser Lagerfähigkeit) noch nicht miteingerechnet.

In der Schweiz sind es mit ca. 14-20 Anwendungen pro Saison[3] zwar weniger, aber die Auswirkungen auf die Umwelt und ihre Bewohner sind dennoch gross (siehe Box «Pestizidintensiver Anbau ist bienenschädigend»). Doch nicht jede Apfelsorte verlangt eine gleich intensive Behandlung. Aufgrund natürlicher Resistenzen im Erbgut sind nicht alle Sorten gleich anfällig für die verschiedenen Krankheiten wie Mehltau, Apfelschorf oder Rindenkrebs und können sich besser gegen Schädlinge behaupten (z.B. Apfelwickler, Frostspanner oder Läuse).[4] Als Negativbeispiel ist die Sorte Gala zu nennen. Sie ist sehr störungsanfällig, wird intensiv mit Pestiziden behandelt, ist gleichzeitig aber die beliebteste Apfelsorte in der Schweiz und macht 30% der Gesamternte der Äpfel aus.[5]
Pestizidintensiver Anbau ist bienenschädigend
Eine Vielzahl von Pestiziden sind im Apfelanbau zugelassen. Darunter sind die Fungizide Captan und Folpet und die Insektizide Acetamiprid und Spinosad. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)[6] stellt ein erhöhtes Risiko für Bienen und Nichtzielorganismen für die beiden Fungizide und eine Datenlücke in der Risikobewertung für die beiden Insektizide fest. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) kennzeichnet Produkte mit dem Wirkstoff Spinosad als bienengefährlich.[7] Da im Apfelanbau häufig verschiedene Pestizide zusammen ausgebracht werden, kommt es zudem zu einem Cocktaileffekt in der Umwelt. Insgesamt kann also durchaus von einer Gefahr von den angewendeten Produkten für die bereits bedrohten Bestäuberinsekten ausgegangen werden (mehr zu dem Thema in unserem Blogartikel Bestäuberinsekten – gefährdete kleine Helden).
Hohe Ansprüche – intensive Behandlung
Wieso werden im Apfelanbau überhaupt so viele Pestizide ausgebracht? Folgende drei Punkte tragen dazu bei: [8]
Dauerkulturen
Da Apfelbäume über Jahre hinweg wachsen, können sich Schädlinge und Krankheiten mit der Zeit ansammeln und verstärken. Die Krankheiten und Schädlinge haben mehr Zeit, sich zu entwickeln und auszubreiten. Dieser Effekt wird durch Anbau in Monokulturen gefördert. Deswegen werden bei mehrjährigen Kulturen (insbesondere solche in Monokulturen) häufig mehr Pestizide eingesetzt.
Anspruch an Lagerfähigkeit
Zur Verbesserung der Lagerfähigkeit können Pestizide eingesetzt werden, z.B. indem der Reifeprozess beeinflusst wird oder der Apfel vor Fäulnis und Krankheitsbefall geschützt wird.
Anspruch an hohe Qualität
Seitens Handel und Konsum besteht ein enorm hoher optischer Qualitätsanspruch an die Äpfel. Kleinste Makel führen zur Herabsetzung der Qualitätsklasse und bei grösseren optischen Störungen gelangen die Früchte gar nicht erst in den Supermarkt (siehe Box «Qualitätsklassen» für weitere Erläuterungen). Dieser Anspruch an die optische Makellosigkeit ist einer der Hauptgründe, wieso Apfelplantagen so intensiv gespritzt werden.
Qualitätsklassen
Die Absurdität der optischen Ansprüche an Äpfel wird deutlich, wenn man sich die Definition der Qualitätsklassen gemäss Normen und Vorschriften für Tafeläpfel anschaut. In den gängigen Supermärkten ist die Klasse jeweils auf den Etiketten abgedruckt.
Klasse Extra: Sortentypische Form, Grösse und Färbung. Unverletzter Stiel. Fruchtfleisch frei von Mängeln.
Klasse I: Fruchtfleisch frei von Mängeln. Leichter Formfehler, Entwicklungsfehler, Farbfehler und Schalenfehler erlaubt, solange nicht grösser als 1cm2. Stiel kann fehlen, sofern die Bruchstelle glatt und die Schale am Stielansatz unbeschädigt.
Klasse II: Fruchtfleisch frei von grösseren Mängeln. Formfehler, Entwicklungsfehler, Farbfehler und Schalenfehler erlaubt, solange nicht grösser als 2,5cm2.
Je höher die Klasse, desto teurer kann der Apfel im Laden verkauft werden. Erreicht ein Apfel nicht Klasse II, kommt er gar nicht erst für den Verkauf in Grossverteilern in Frage. Dementsprechend erhalten auch die Produzent:innen mehr Geld für makellose Äpfel[9]. Damit steigt der Druck in der Landwirtschaft, makellose Äpfel zu produzieren und der Griff zu Pestiziden scheint oft die praktikabelste Lösung zu sein.
Sortenvergleich liefert ernüchternde Resultate
In unserem Sortenvergleich haben wir uns die gängigsten Apfelsorten aus den Schweizer Supermärkten Coop, Migros und Denner angesehen. Das ernüchternde Resultat: Es werden grundsätzlich kaum robuste Apfelsorten in den Supermärkten angeboten. Häufig angebotene Sorten wie z.B. Gala oder Braeburn sind sehr anfällig auf Schädlings- und Krankheitsbefall und benötigen somit eine intensive Behandlung. Die einzigen robusten Sorten, die wir gefunden haben, waren unter den Bio-Äpfeln im Coop. Die detaillierte Einschätzung ist in der nachfolgenden Tabelle zu sehen.
Apfelsorte | Robustheit | Angeboten von* |
Ariane | Gut | Coop (nur Demeter) |
Magic Star | Gut | Coop (nur Bio) |
Pinova | Mittel | Coop (nur Bio) |
Gala | Mittel | Coop, Migros, Denner |
Braeburn | Schlecht | Coop, Migros |
Golden | Schlecht | Coop, Migros, Denner |
Diwa | Schlecht | Coop, Migros |
Jonagold | Schlecht | Coop |
*Angaben können je nach Region und Saison abweichen
Das traurige ist, dass es zahlreiche robustere Sorten gäbe, sie aber nicht in den grossen Supermärkten angeboten werden. Beispiele für robuste Sorten sind Rustica oder Ladina[11], es gibt aber viele weitere, die nicht grossflächig angebaut werden. Hier besteht ein Systemfehler.
Wettlauf gegen die Zeit?
Wenn wir über resistente bzw. robuste Sorten sprechen, müssen wir auch über das Thema Koevolution sprechen. Sind die robusten Sorten nur deswegen robust, weil sie nicht grossflächig angebaut werden und somit kein Selektionsdruck auf die Schadorganismen wirkt, welcher sie anpassungsfähig an die Nutzpflanze machen würde? Liegt die Robustheit vielleicht vielmehr im Anbausystem begründet, als nur im Erbgut? In Wahrheit ist es wohl ein bisschen von beidem. Wenn von heute auf morgen alle Apfelplantagen auf die Sorte Ariane wechseln würden, wäre auch diese Sorte mit der Zeit nicht mehr robust, weil die Schadorganismen sich durch Evolution an die Pflanze anpassen würden. Um nachhaltig Befall und Schäden an Apfelbäumen zu minimieren, braucht es angepasste Sorten und eine Mischung von verschiedenen Sorten (Mischkulturen anstelle von Monokulturen). Diese Entwicklung sollte politisch vorangetrieben werden.
Handlungsempfehlungen
- Kaufe robuste Apfelsorten und unterstütze damit einen Apfelanbau, der mit einem tieferen Pestizideinsatz auskommt.
- Kaufe Bio.
- Kaufe saisonal, da damit der Pestizideinsatz in der Lagerung vermindert wird.
- Bringe Diversität auf deinen Teller und kaufe nebst Äpfel auch anderes Obst. Wenn wir den Anbau diversifizieren möchten (weg von Monokulturen), müssen wir auch die Ernährung anpassen.
- Unterstütze politische Akteure und Parteien, die sich für einen Systemwechsel in der Landwirtschaft einsetzen.
- Teile diesen Artikel und schaffe Bewusstsein.
[1] Mehr zum Thema Abdrift von Pestiziden im Vinschgau in unserem Blogartikel
[2] Bayrischer Rundfunk (2023): Apfelanbau: 38 Mal Pestizide in einer Saison.
[3] Zahl als Mittelwert der Jahre 2009-2018 aus: Agrarbericht 2020. Verkauf und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
[4] Agroscope (2024): Pflanzenschutzempfehlungen für den Erwerbsobstbau 2024 – 2025.
[5] SRF (2023): Weniger Pestizide dank neuer Gentech?
[6] EFSA (2023): Peer review of the pesticide risk assessment of the active substance folpet.
EFSA (2020): Peer review of the pesticide risk assessment of the active substance captan.
EFSA (2016): Peer review of the pesticide risk assessment of the active substance acetamiprid.
EFSA (2018): Peer review of the pesticide risk assessment of the active substance spinosad.
[7] Z.B für das Produkt Audienz
[8] Mathis et al. (2022): Pflanzenschutz im Apfelanbau: ökologische und ökonomische Auswirkungen verschiedener Strategien. Agroscope.
[9] Für Äpfel der Klasse I erhielten Produzent:innen im Jahr 2020 1,11 CHF, Konsument:innen zahlten 3,43 CHF. Quelle: Agrarbericht 2021.
[10] Die Berechnung für die Einteilung in gut, mittel und schlecht kann hier gefunden werden.
[11] Suard et al. (2024): Kernobst Sortenliste 2024. FiBL