4aqua und ohneGift setzen sich für folgende Verbesserungen ein:
(1) TFA soll im Sinne des Vorsorgeprinzips nicht weiter in die Umwelt freigesetzt werden.
(2) Diejenigen Pflanzenschutzmittel (29 der rund 300 Wirkstoffe), welche sich zu TFA abbauen, sollen prioritär verboten werden, um die Schäden bei der Trinkwasserversorgung zu begrenzen.
(3) Zudem soll der Bund die relevanten weiteren Quellen für TFA ermitteln und stoppen.
(4) Die Verursacher sind in die Pflicht zu nehmen.
1. Um was geht es?
Trifluoracetat (TFA) ist das letzte Abbauprodukt von gewissen fluorhaltigen Pestiziden, Kältemitteln, Treibgasen, Arzneimitteln und weiteren Stoffen[1]. TFA gehört zur chemischen Gruppe der PFAS, über die der Verein ohne Gift schon mehrmals berichtet hat, zuletzt in einem Interview mit Basil Thalmann. Weil das TFA-Molekül extrem stabil («persistent») ist, reichert es sich in der Umwelt an. Seine hohe Wasserlöslichkeit bewirkt, dass es im Boden mobil ist und leicht ins Grundwasser und Trinkwasser gelangt. Weil TFA bis vor kurzem als unbedenklich galt, bestehen keine konkreten Anforderungswerte für Gewässer. Für Trinkwasser gilt lediglich der «Default»-Wert von 10 Mikrogramm (µg) pro Liter für Substanzen mit unbekannter Toxizität[2].
Eine neu bekannt gewordene Studie (2021) von Bayer zeigt nun aber schwere Missbildungen bei neugeborenen Kaninchen (Föten), wenn den trächtigen Müttern TFA ins Futter gemischt wird. Die im Versuch getestete kleinste Menge lag bei 180 mg/kg/Tag. Da selbst bei dieser Dosis drei verschiedene Schäden an Föten auftraten (Herz-Kreislauf-Abnormitäten, Augenschäden, Missbildungen der Niere) muss der sogenannte NOAEL-Wert (no observed adverse effect level) deutlich tiefer liegen. Er kommt damit ohne weiteres in einen Bereich, wo auch andere Substanzen als reproduktionstoxisch Kategorie 1B eingestuft wurden (z.B. Propiconazole mit NOAEL von 100 mg/kg/d).[3] Es ist damit absehbar, dass die ECHA die von Deutschland beantragte Einstufung von TFA als reproduktionstoxisch der Kategorie 1B (nach GSH: H360Df: «Kann das Kind im Mutterleib schädigen. Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.») bestätigt.
Die ECHA informierte darüber Mitte Juni 2024 und gab auch die Ergebnisse der vorgenannten Studie bekannt.
2. Was sind die Folgen?
Folgt die ECHA dem Antrag von Deutschland, gilt TFA als sogenannt «relevanter Metabolit», der im Trinkwasser nur in einer Menge von 0.1 µg pro Liter vorkommen darf (Schweiz, FN 2, und EU[4]). Da derzeit verschiedene Quellen bestehen, die zu einer zunehmenden Belastung des Grund-, Oberflächen- und Trinkwassers mit TFA führen, müssen diese gestoppt werden.
Relevante vs. nicht-relevante Metaboliten
Metaboliten sind Abbauprodukte von aktiven Wirkstoffen von Pflanzenschutzmitteln. Ein Metabolit wird als relevant oder nicht-relevant aufgrund seiner Wirksamkeit, toxikologischen Eigenschaften und seinem Risiko für Organismen und Umwelt eingestuft.[5]
Tatsächlich ist es heute schon viel zu spät, um überhaupt innert absehbarer Frist die Belastungswerte wieder unter 0.1 µg/Liter zu senken. Europaweit und auch in der Schweiz liegen die durchschnittlichen Werte heute bereits bei rund 0.7 µg/Liter in Grundwasser oder Oberflächenwasser, mit Spitzenwerten bis zu mehreren 10 µg/Liter. Und laufend gelangt noch mehr TFA in die Umwelt. Je länger mit der Eindämmung der TFA-Quellen in die Umwelt zugewartet wird, desto teurer wird die Sanierung des (Trink-)wassers. Momentan wird in der Wissenschaft auch davon ausgegangen, dass die Entfernung von TFA in der 4. Reinigungsstufe von ARAs nicht möglich ist (siehe Studie).
3. Welches sind die Hauptquellen für TFA?
In der EU wurde TFA flächendeckend in Oberflächen- und Grundwasser nachgewiesen, teils in Mengen bis mehrere Mikrogramm pro Liter (Bsp. Paris: 2 µg/l). [6] Studien aus Österreich zeigen, dass TFA-Belastungen in Oberflächengewässern mit der Nähe zu landwirtschaftlichen Betrieben zunehmen.[7] Ebenso gibt das deutsche Umweltbundesamt Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft als Hauptquelle an.[8]
Abbildung 1: Falls tiefere Grenzwerte für TFA in Trinkwasser beschlossen werden, droht die Stilllegung von Quellfassungen. Symboldbild von einer Fassung im Eschenbergwald in Winterthur. @GeorgOdermatt
2021 liess der Verein ohneGift neun Wasserproben auf TFA untersuchen. In jeder Probe wurde TFA nachgewiesen, mit Werten von 0.25 – 0.91 μg/l. Aufgrund der Probenstandorte konnte geschlossen werden, dass die wichtigsten Quellen für die TFA Pflanzenschutzmittel sind (siehe Beitrag dazu). Zurzeit sind 29 Pestizid-Wirkstoffe zugelassen, die zu TFA abgebaut werden. Deren jährliche Verkaufsmenge beträgt rund 45’000 Kilogramm (siehe Tabelle). Weitere bedeutende Quellen sind bestimmte Kältemittel (etwa für Klimaanlagen von Autos; Menge zunehmend), Treibmittel, Biozide und Arzneimittel[9].
2022 fand der Kassensturz SRF ähnliche Werte (0,51 und 1,5 μg/l in 10 Proben). Konfrontiert mit der Frage nach einem Grenzwert gaben das BLV und BAFU damals verharmlosend zur Antwort, falls die Messkampagnen des BAFU verbreitet erhöhte Werte zeigen sollten und sich dies auch in den Trinkwasserfassungen zeige, «werde das BLV die Situation neu evaluieren».[10]
4. Was tut die Schweiz?
Die Schweizer Behörden haben das Umweltgift im Wasser bisher nicht systematisch gemessen. In einer Antwort auf eine Interpellation von Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel vom Jahre 2022 sagte der Bundesrat, dass in einer Pilotstudie TFA im Grund- sowie Trinkwasser im Jahr 2023 gemessen werden soll. Die Ergebnisse für das Grundwasser liegen noch nicht vor. Die Studie zu TFA im Trinkwasser wurde 2023 publiziert. Diese fand wie erwartet in fast allen Proben TFA und zwar mit einem Durchschnittswert von 0.765 μg/l und einem Maximalwert von 20 μg/l. Weiterhin gilt aber der generelle Grenzwert von 10 μg/l für Trinkwasser.
Die Erkenntnis, dass TFA stark reproduktionstoxisch (1B, H360Fd) ist, hat die Situation grundlegend verschärft. «Jetzt aber hopp!», möchte man dem BLV und BAFU sagen.
5. 4aqua und ohneGift engagieren sich für Verbesserungen
Chemische Verbindungen, die sich zu TFA abbauen, sind erst etwa seit den 1980er Jahren in Gebrauch, wobei ihr Einsatz laufend zugenommen hat. In dieser kurzen Zeit ist die Konzentration im Wasserkreislauf von Europa (und teils noch mehr in anderen Kontinenten) auf 0.7 µg/Liter Wasser gewachsen. Erfolgt nicht rasch ein Verbot der Vorläuferverbindungen, steigt die Konzentration unablässig weiter, bis sie ein für Menschen und Tiere schädliches Mass erreicht hat. Wo genau dies beginnt, ist nicht bekannt. Aber wenn die Schadensgrenze erreicht ist, lässt sie sich für Jahrzehnte oder Jahrhunderte nicht mehr rückgängig machen.
4aqua und ohneGift vertreten die Auffassung, dass Mensch und Natur besser geschützt werden müssen und engagieren sich für die folgenden
Verbesserungen:
Im Sinne des Vorsorgeprinzips muss der Eintrag von TFA rasch möglichst gestoppt werden. Einen solchen Quellenstopp verlangt nicht nur das Vorsorgeprinzip, sondern auch das vom Parlament am 19. März 2021 beschlossene Bundesgesetz über die Verminderung der Risiken durch den Einsatz von Pestiziden.[11] Es ist nicht angebracht, den Entscheid der ECHA zur definitiven Einstufung von TFA als reproduktionstoxisch abzuwarten, da dies mit grösster Wahrscheinlichkeit geschieht und die Schäden, zum Beispiel an der Trinkwasserversorgung, nur immer grösser werden, wenn TFA weiterhin in die Umwelt ausgebracht wird.
Ein erster Schritt ist das Verbot derjenigen Pflanzenschutzmittel (29 der rund 300 Wirkstoffe), welche sich zu TFA abbauen. Für die meisten Anwendungen bestehen Pflanzenschutzmittel, die kein TFA bilden.
Weil auch weitere Quellen bestehen, soll der Bund diese ermitteln und rasch möglichst ebenfalls stoppen.
Da die Problematik zu TFA spätestens mit der Veröffentlichung der Studienergebnisse von Bayer zu den Toxizitätsversuchen bei Kaninchen im Juni 2024 bekannt ist, erfolgen alle Handlungen und Unterlassungen, die zu einem weiteren Anstieg von TFA in der Umwelt führen «mit Wissen und Willen». Haftungsrechtlich gilt dies als absichtliches Handeln und führt zu einer verschärften Haftung. Die Verursacher sind in die Pflicht zu nehmen.
[1] Vgl. dazu https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20224515
[2] Anhang 2 Verordnung des EDI über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen (TBDV)
[3] EFSA, Peer review of the pesticide risk assessment of the active substance propiconazole, 2017, S. 9, siehe : https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/4887
[4] Anhang I Teil B der Richtlinie 98/83/EG (Trinkwasserrichtlinie).
[5] https://www.scienceindustries.ch/_file/20436/20170221-factsheet-psm-metaboliten-final.pdf
[6] PAN, TFA Die ewige Chemikalie im Wasser, das wir trinken, Juli 2024, siehe: https://www.global2000.at/sites/global/files/Report_TFA-in-Wasser_Final_DE.pdf
[7] https://utopia.de/news/ewigkeitschemikalien-in-welchen-bundeslaendern-das-trinkwasser-besonders-belastet-ist_706903/
[8] Umweltbundesamt, Chemikalieneintrag in Gewässer vermindern – Trifluoracetat (TFA) als persistente und mobile Substanz mit vielen Quellen, Dessau-Rosslau, 2024, S. 27, siehe: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/3521/publikationen/2021_hg_chemiekalieneintrag_bf.pdf
[9] Vgl. https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20224515
[10] https://www.srf.ch/news/schweiz/umweltrisiko-trifluoracetat-pflanzengift-tfa-flaechendeckend-im-schweizer-trinkwasser
[11] https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/rf/cr/2021/20210841.html