SF6 – jedes Kilogramm zählt!

Schwefelhexafluorid hat ein etwa 25'000 Mal so starkes Treibhausgaspotential wie CO2. Trotz grundsätzlichem Verbot in der Schweiz ist es für einige Anwendungen mangels Alternativen trotzdem erlaubt. Dies führt dazu, dass jedes Jahr einige Tonnen von dem Gas in die Atmosphäre entweichen. Was die Schweiz dagegen tut und ob sie dabei erfolgreich ist, zeigen wir in diesem Beitrag auf.
SF6 wird in Hochspannungsanlagen als Isoliergas verwendet.
Abbildung 1: In Mittelspannungsanlagen wird SF6 zur Isolation verwendet. Bild @Erich Westendarp (Pixabay)

Das Wichtigste in Kürze:

  • SF6 ist ein hochwirksames Treibhausgas – mit einer 25’000 Mal so starken Wirkung wie CO2
  • SF6 wird in der Elektrizitätsinfrastruktur als Isoliergas eingesetzt.
  • Die SF6-Emissionen in der Schweiz konnten in den letzten Jahren gesenkt werden. Damit das so weiter geht, ist es wichtig, beim zunehmenden Ausbau der elektrischen Infrastruktur mit SF6 Alternativen zu arbeiten.

Der Verein ohneGift fordert:

Bei der Energieproduktion, dem Netzausbau und der Netzerneuerung muss die Schweiz auf SF6 freie Technologien setzen – damit die Dekarbonisierung des Energiesystems nicht hintertrieben wird.

Ungiftig für den Menschen, hochproblematisch für die Umwelt

Schwefelhexafluorid (kurz SF6) ist ein für den Menschen ungiftiges Gas. Jedoch verfügt es über ein circa 25’000 Mal so grosses Treibhausgaspotential wie CO2. Darum ist es in der Schweiz grundsätzlich verboten. Aufgrund seiner speziellen chemischen Eigenschaften gibt es jedoch Ausnahmeregelungen für bestimmte Anwendungen.[1]

Eine der Wichtigsten davon ist die Elektrizitätsinfrastruktur. Dabei wird das Gas vor allem zur Isolierung in geschlossenen Systemen von Hoch- und Mittelspannungsanlagen eingesetzt. Solange das Gas in diesen Systemen verbleibt und bei Ende der Lebensdauer der Anlagen korrekt entsorgt oder recycelt wird, ist das auch kein Problem. Trotz höchsten technischen Standards liegt jedoch die durchschnittliche Austrittsrate zwischen 0.1% und 0.5 % pro Jahr (weltweit). 

Dies hört sich erst einmal nach wenig an. Doch: Aufgrund der langen Halbwertszeit[2] von 3’200 Jahren (vgl. CO2 hat eine Halbwertszeit von 50-200 Jahren) sind die Effekte von freigesetztem SF6 in der Atmosphäre quasi permanent. Auch wenn die Emissionen nicht zunehmen und auf dem aktuellen Niveau bleiben, wird SF6 wegen seiner langen Lebensdauer eine immer bedeutendere Rolle unter allen Treibhausgasen einnehmen.

Aufbau und chemische Eigenschaften von SF6

SF6 ist ein ungiftiges, farbloses, geruchsloses und nicht entflammbares Gas. Wie in Abbildung 2 zu erkennen ist, sind 6 Fluor-Atome um ein Schwefel-Atom angeordnet. Diese Schwefel-Fluor-Verbindung ist sehr stark. Darum ist SF6 chemisch stabil und wird nur sehr langsam abgebaut. Dank der guten Isolationsfähigkeit des Gases kann kein elektrischer Durchschlag und somit kein Kurzschluss in elektrischen Schaltanlagen entstehen. Falls es zu Funken kommt, werden diese vom Gas unmittelbar gelöscht. Zudem erfüllt SF6 (wie kein anderes Gas) seine Funktionen auch bei sehr hohen sowie tiefen Temperaturen.

SF6
Abbildung 2: Schwefelhexafluorid. Bild @Wikipedia

Konzentrationen in der Atmosphäre nehmen linear zu

Aufgrund seines hohen Treibhausgaspotenziales wurde SF6 im Kyoto-Protokoll von 1997 als eines der sechs Gase gelistet, deren Emission in die Umwelt global reduziert werden muss. Trotzdem nimmt die globale Konzentration von SF6 seither fast linear zu (siehe Abbildung 3).[3] Messungen haben ergeben, dass jährlich circa 8’000 Tonnen SF6 in die Atmosphäre gelangen. Dies entspricht einem Äquivalent von 175 Millionen Tonnen CO2 – viermal so viel, wie die jährlichen CO2-Emissionen der ganzen Schweiz.

SF6 Emissionen auf der ganzen Welt über die Zeit.
Abbildung 3: SF6-Konzentrationen weltweit für den Zeitraum 1994 bis 2022. Bild @NOAA

Jedes nicht emittierte Kilogramm macht einen Unterschied

1 kg emittiertes SF6 hat die gleichen Auswirkungen auf das Klima wie 25 Tonnen emittiertes CO2. Dies entspricht etwa dem CO2– Ausstoss von 10 Personen, welche mit dem Flugzeug von Zürich nach New-York fliegen.

Emissionen in der Schweiz nehmen ab

Im Treibhausgasinventar der Schweiz werden seit 1990 auch die SF6-Emissionen erfasst (siehe Abbildung 4). Daraus wird ersichtlich, dass seit dem Höchstwert von 11.24 Tonnen im Jahr 2015 eine merkliche Senkung erreicht werden konnte. Die steigenden Emissionen zwischen 2010 und 2015 stammen laut dem NID (National Inventory Document)[4] für Treibhausgase in der Schweiz vermutlich aus der Entsorgung von SF6-haltigen Isolierfenstern.

Die Emissionen von Elektrizitätsinfrastruktur werden laut dem NID gemessen, indem «in Betrieb befindliche elektrischen Anlagen, die SF6 enthalten, periodisch auf Leckagen überprüft, Verluste nachgefüllt und die nachgefüllten Mengen […] als Emissionen gemeldet werden».

SF6 in der Schweiz

Der erreichte Wert von gut zwei Tonnen SF6 im Jahr 2022 entspricht in CO2-Äquivalenten dem jährlichen CO2 – Verbrauch von circa 10’000 Personen[5] in der Schweiz. Dies entspricht immerhin der Schwelle, ab welcher eine Gemeinde in der Schweiz als Stadt bezeichnet wird.

Freiwillige Branchenlösung als Ausweg?

Die Verwendung von SF6 ist in der Schweiz in der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) geregelt. Für Anlagen, die mehr als ein Kilogramm SF6 enthalten, besteht eine Meldepflicht gegenüber dem Bundesamt für Umwelt (BAFU).

Seit 1999 gibt es eine freiwillige Branchenlösung für SF6, welche von Swissmem (Verband der Schweizer Tech-Industrie) koordiniert wird. Darin legen die Vertragspartner fest, dass sie die Emissionen von SF6 für für Höchst-, Hoch- und Mittelspannungsanlagen unter einer Tonne pro Jahr begrenzen wollen. Seit 2021 gilt der bisher tiefste Zielwert und die Emissionen aus diesem Bereich sollen eine Tonne pro Jahr nicht überschreiten.

Eine Nachfrage bei Dr. Christiane Roth von Swissmem bestätigt, dass der Zielwert von einer Tonne SF6 für Hoch- und Mittelspannungsanlagen für das Jahr 2022 und 2023 eingehalten werden konnte. Im Jahr 2021 wurde das Ziel mit gut 1.5 Tonnen deutlich überschritten, gemäss Roth ein Ausreisser, nachdem sich die Emissionen schon in den Vorjahren bei etwa einer Tonne oder darunter befanden

Ist die Schweiz auf dem richtigen Weg?

Der Trend für die SF6-Emissionen im Treibhausgasinventar ist abnehmend und die Branchenlösung hat die selbstauferlegten Ziele seit 1999 in den meisten Jahren eingehalten. Trotzdem ist Vorsicht geboten. Die Schweiz steht vor grossen Investitionen in der Elektrizitätsinfrastruktur. Einerseits ist ein Teil der Netzinfrastruktur veraltet und muss erneuert werden.[6]Andererseits erfordern dezentrale, erneuerbare Energieproduktionsanlagen (Bsp. Solarparks, Speicherseen) einen Netzausausbau.

Der Verein ohneGift fordert, dass dabei konsequent SF6-freie Alternativen zum Einsatz kommen.

Alternativen zu SF6 sind vorhanden

Alternativen zu SF6 in der Elektrizitätsinfrastruktur müssen grundsätzlich drei Funktionen erfüllen:

  • Isolierung von starken Feldstärken
  • Kühlung
  • Unterbrechung von Stromflüssen

Dabei müssen die Alternativen nicht zwingend Gase sein. Möglich sind auch feste oder flüssige Mittel.  

In den letzten rund 10 Jahren haben verschiedene Hersteller SF6-freie Schaltanlagen entwickelt. ABB brachte beispielsweise 2015 ihre erste SF6-freie Mittelspannungsanlage auf den Markt, die überwiegend aus trockener Luft und Fluorketon besteht. Siemens bietet ebenfalls SF6-freie Produkte für Mittelspannungsanlagen an, Hitachy Energy und Siemens Energy für Hochspannungsanwendungen.

Warum erfolgt der Umstieg der Industrie nicht konsequent? 

Dazu sagt Dr. Christine Roth von Swissmem, dass SF6 in bestehenden Anlagen nicht einfach durch ein anderes Gas ersetzt werden kann, da umfassende technische Anpassungen erforderlich sind. Solange die Anlagen noch ihre Lebensdauer nicht überschritten haben, sei ein flächendeckender Ersatz nicht realistisch, da die Investitionen und der Ressourcenverbrauch zu hoch wären.

Ausstieg ist aufgegleist

Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit wird momentan das Stromnetz ausgebaut, um das Energiesystem zu dekarbonisieren. Die EU-Kommission rechnet damit, dass es bis 2050 in der EU fast zu einer Verdoppelung der SF6Emissionen kommen wird – falls keine Alternativen zu SF6 eingesetzt werden.

Gemäss der überarbeiteten und im Februar 2024 publizierten F-Gas-Verordnung der EU, in welcher u.a. SF6 geregelt ist, wird ab 2026 ein schrittweiser Ausstieg von SF6 durchgesetzt, mit dem Vorbehalt, dass technische Lösungen vorhanden sind.[7] 

Das BAFU ist daran, eine Anpassung der Schweizer Gesetzgebung vorzubereiten, die einen Gleichschritt mit der EU vorsieht. 


[1] https://www.swissmem.ch/fileadmin/user_upload/Content/Klima_Umwelt_Energie/SF6/D/Swissmem_SF6_Flyer_DE.pdf

[2] Zeit, bis die Hälfte des Stoffes natürlich abgebaut wird

[3] https://gml.noaa.gov/hats/combined/SF6.html

[4] https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/en/dokumente/klima/klima-climatereporting/National_Inventory_Document.pdf.download.pdf/National_Inventory_Document_CHE_2024.pdf

[5] bei Annahme eines durchschnittlichen Ausstosses von 5 Tonnen pro Person (https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fragen-antworten.html#:~:text=Die%20Schweiz%20verursacht%2041.6%20Mio,Emission%20von%20rund%205%20Tonnen.)

[6] https://www.swissgrid.ch/de/home/projects/future-grid.html#netzplanung-mit-weitsicht

[7] https://www.eaton.com/ch/de-de/company/news-insights/blog/sf6-free-switchgear-is-big-win.html

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