Der Verein ohneGift fordert:
Die Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft müssen konsequent mit klaren Vorgaben für einen umweltschonenden Pflanzenschutz verbunden werden, der vollständig auf den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide verzichtet. Nur so kann die regenerative Landwirtschaft ihrem Anspruch gerecht werden, die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität zu steigern.
Regenerative Landwirtschaft darf nicht nur als Marketingbegriff für Unternehmen dienen, die durch gewisse Produktionsmethoden den Einsatz von Umweltgiften wie Glyphosat «greenwashen». Vielmehr müssen die Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft von Landwirt:innen tatsächlich gelebt werden.
Was ist regenerative Landwirtschaft?
Als Alternative zu der konventionellen Landwirtschaft mit ihren negativen Umweltfolgen, gewinnt die regenerative Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung – auch in der Schweiz. Diese Form der Bewirtschaftung stellt den Boden in den Mittelpunkt: Ziel ist es, die Bodenfruchtbarkeit stetig zu verbessern oder geschädigten Boden zu regenerieren.[1] Für Landwirt:innen, die regenerativ anbauen, ist ein gesunder Boden die Antwort auf die Klimakrise oder den Biodiversitätsverlust. Eine einheitliche Definition der regenerativen Landwirtschaft gibt es aktuell nicht.
Biologische und regenerative Landwirtschaft: Zwei Ansätze im Fokus
Biologische und regenerative Landwirtschaft verfolgen ähnliche Ziele und Praktiken, sie setzen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte. Die Praktiken der regenerativen Landwirtschaft legen ihren Fokus darauf, die Bodenfruchtbarkeit durch gezielten Humusaufbau zu steigern. Auch die biologische Landwirtschaft möchte die Bodenfruchtbarkeit langfristig erhalten und fördern. Allerdings ist die biologische Landwirtschaft breiter definiert und verfolgt das übergeordnete Ziel, eine nachhaltige Produktion mit minimalen Umweltauswirkungen sicherzustellen.
Zudem ist die biologische Landwirtschaft in der Schweiz gesetzlich geregelt und schreibt strikte Mindestanforderung vor – wie den Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und mineralische Düngemittel –, hingegen gibt es für die regenerative Landwirtschaft keine verbindlichen Richtlinien oder Zertifizierungen. Die offen gelassene Definition der regenerativen Landwirtschaft erlaubt es den Landwirt:innen die regenerativen Prinzipen individuell umzusetzen, ohne sich an feste Standards halten zu müssen. Dies kann konventionellen Landwirt:innen den Einstieg erleichtern. Kritisch wird jedoch die Gefahr des Greenwashings betrachtet: Ohne klare Definitionen können minimale Massnahmen als umfassende Lösungen für die Herausforderungen des Klimawandels oder des Biodiversitätsrückgangs dargestellt werden. Umweltgifte können weiterhin eingesetzt werden.[2] Ein Beispiel dafür ist der Konzern Bayer, der im vergangenen Jahr in Spanien das Herbizid Glyphosat als wichtigen Bestandteil der regenerativen Landwirtschaft bewarb, da es die Direktsaat erleichtern könne. Dies stiess auf Kritik von spanischen Landwirt:innen, die die regenerative Landwirtschaft praktizieren und den Einsatz von Umweltgiften strikt ablehnen: Sie werfen Bayer zu Recht vor, den Begriff für Greenwashing zu nutzen.[3]
In der Schweiz fördern die zwei Organisationen «Agricultura Regeneratio» und «Regenerativ Schweiz» die regenerative Landwirtschaft und beziehen sich dabei auf fünf Prinzipien:[4]
- Förderung der Biodiversität in und über dem Boden
- Minimale Bodenstörung
- Dauernd durchwurzelter Boden
- Dauernd bedeckter Boden
- Integration von Tieren
Diese Prinzipien zielen darauf ab, die Funktionen des Bodens zu schützen. Zu den Basispraktiken der regenerativen Landwirtschaft gehören:[5]
- Direktsaat: Auf eine Bodenbearbeitung wird verzichtet, um Bodenorganismen wie Regenwürmer zu schützen, die natürliche Fruchtbarkeit zu erhalten und den Bedarf an künstlichem Dünger zu reduzieren.
- Untersaaten: Zur besseren Bodenbedeckung werden zusätzlich zur Hauptkultur weitere Kulturen wie zum Beispiel Leindotter oder Kleemischungen angesät. Wird die Hauptkultur geerntet, bleibt die Untersaat stehen und bedeckt den Boden somit weiterhin.[6]
- Mischkulturen: Der gleichzeitige Anbau verschiedener Nutzpflanzenarten auf einer Fläche, wie Körnerleguminosen mit Getreide, fördert die Bodengesundheit, unterdrückt Unkraut und erhöht den Nährstoffgehalt des Bodens.[7]
- Zwischenfruchtanbau: Nach der Ernte der Hauptkultur werden verschiedene Pflanzenarten auf der Fläche angebaut, die sonst brach liegen würden. Dies schützt den Boden vor Erosion und baut organische Substanz auf. Einige Beispiele für Zwischenfrüchte sind Buchweizen, verschiedene Kleearten sowie Gräser.
Ein Kernziel der regenerativen Landwirtschaft und ihren Praktiken ist der Aufbau von Humus, um eine hohe Bodenfruchtbarkeit zu erreichen.[8] Es gibt weitere Praktiken, die dabei in der regenerativen Landwirtschaft wichtig sind und einiges an Knowhow voraussetzen: Dazu zählen unter anderem die Integration von Tierhaltung in den Pflanzenbau, das Anpflanzen von Bäumen und Hecken auf Ackerflächen oder der Einsatz biologisch aktivierter Pflanzenkohle.[5]
Beispiele aus der Schweiz
Wie viele Bauernhöfe in der Schweiz regenerativ produzieren, ist unklar. Auf der Website von Regenerativ Schweiz gibt es jedoch eine Karte, die einen Überblick über regenerative Betriebe bietet.[9] Zudem sind rund 120 Betriebe Mitglied im Verein «Agricultura Regeneratio».[10] Ein Beispiel ist hier der Biobetrieb von Daniela und Lukas Rediger in Binningen. Seit 2019 setzen sie auf die regenerative Landwirtschaft. Sie pflanzen Weizen, Futterpflanzen für ihre Tiere und Spezialkulturen wie Grünspargel an. Damit der Boden möglichst immer bedeckt ist, nutzen sie Untersaaten, wie Klee und Leindotter, und einen Zwischenfruchtanbau. Ein weiteres Beispiel ist der Biobetrieb von Urs Grüter in Urswil. Seit 2020 baut er nach den Praktiken der regenerativen Landwirtschaft an. Seine Fruchtfolge umfasst Körnermais, Dinkel, Weizen und schliesslich Gras, das als Weidefläche der Rindfleischproduktion dient. Das Gras sorgt in der Fruchtfolge für eine optimale Regeneration des Bodens. Durch diese Ansätze kann er die Bodenfruchtbarkeit erhalten und kommt weitgehend ohne Düngemittel aus.[11]
Vorteile für Bestäuber
Regenerative Landwirtschaftspraktiken bieten gegenüber der konventionellen Landwirtschaft einige Vorteile für Bestäuber:[12],[13]
- Mehr Pflanzenvielfalt: Durch Untersaaten und Zwischenfrüchte wird die Pflanzenvielfalt gesteigert, wodurch Bestäuber auch nach der Ernte der Hauptkultur noch ausreichend Pollen und Nektar finden.
- Erhöhung der strukturellen Vielfalt: Die Integration von Hecken- und Bäumen in Acker- und Grünland erhöht die strukturelle Vielfalt in der Landschaft.[5] Dies fördert die Bestäuber und stärkt die natürliche Schädlingsbekämpfung, was den Einsatz von Insektiziden überflüssig macht und Bestäuberpopulationen schützt.[14]
- Weniger Bodenbearbeitung: Eine Studie zeigt, dass Bodenbearbeitung durch die Störung der Bodenstruktur und damit der Zerstörung von Lebensräumen von Bestäubern, negative Auswirkungen auf die Biodiversität und Bestäubungsleistungen haben kann. Systeme mit reduzierter Bodenbearbeitung, wie die Direktsaat, schaffen stabilere Lebensräume und können somit positive Auswirkungen auf Bestäuber haben.[15]
- Weniger Umweltgifte: Der Einsatz von Umweltgiften wird in der regenerativen Landwirtschaft unterschiedlich gehandhabt. Insgesamt zielt sie jedoch durch den Aufbau eines gesunden Bodens auf einen minimalen Einsatz von externen Inputs wie Düngemittel oder Pestiziden ab. Zusammen mit dem Einsatz von organischen Hilfsmittel stärkt dies ebenfalls die natürliche Schädlingsbekämpfung.
Fazit
Die regenerative Landwirtschaft bietet eine vielversprechende Alternative zur konventionellen Bewirtschaftung, indem sie durch verschiedene Praktiken sowohl die Bodenfruchtbarkeit als auch die Bestäuberpopulationen stärkt. Sie fördert die Biodiversität, reduziert den Einsatz von Umweltgiften und ermöglicht Landwirt:innen eine flexible Anpassung an lokale Gegebenheiten. Doch die fehlenden Regelungen bergen auch Risiken. Darum ist auch insbesondere die Kombination von Praktiken der biologischen Landwirtschaft mit humusaufbauenden und regenerativen Ansätzen zukunftsversprechend und sollte stärker zusammengedacht und gefördert werden.
[1] Von Koerber (2018): Definition Regenerative Landwirtschaft Ansätze, Verfahren, Initiativen
[2] FiBL Podcast (2024): Podcast: Was ist eigentlich regenerative Landwirtschaft?
[3] SustainableViews (2023): Bayer accused of greenwashing over ‘regenerative agriculture’ claims
[4] Regenerativ Schweiz (2019): Regenerative Landwirtschaft
[5] Kurth et al. (2023): Der Weg zu regenerativer Landwirtschaft in Deutschland – und darüber hinaus
[6] bio-familia (2024): Gesunde Böden dank regenerativer Landwirtschaft
[7] FiBL (2021): Biologischer Landbau. Grundprinzipien und gute Praxis.
[8] Koll (2022): Kann regenerative Landwirtschaft ertragreicher sein als konventionelle Landwirtschaft? Blog ZHAW
[9] Regenerativ Schweiz (2019): Wo finde ich regenerative Betriebe?
[10] Agricultura Regeneratio (2021): Projekte
[11] SRF (2022): Regenerative Landwirtschaft: Thurgauer Grossbetrieb probierts aus
[12] Netzwerk blühende Landschaft: Insektenfreundliche Untersaaten
[13] Michels (2022): Regenerative Agriculture Effects on Invertebrate And Bird Communities And Insect-Provided Ecosystem Services
[14] Albrecht et al. (2020): Blühstreifen und Hecken – gut gegen Schädlinge und für Bestäubung und Ertrag? Agrarforschung Schweiz
[15] Rowen et al. (2020): Is tillage beneficial or detrimental for insect and slug management? A meta-analysis