Der Verein ohneGift fordert:
Biozidprodukte, deren Wirkstoffe als Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft verboten sind, sollen auch für den Privatgebrauch verboten werden.
Biozide im Siedlungsraum – Gefahr für Bestäuber
Bestäuberinsekten sind nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Siedlungsgebiet vielen Giften ausgesetzt. Vor dem Hintergrund des Bestäuberrückgangs (siehe Blogartikel «Bestäuberinsekten – gefährdete kleine Helden») muss diese Gefahr mitbetrachtet werden. Eine zentrale Quelle von Umweltgiften im Siedlungsraum sind Biozide, die durch Private und staatliche Stellen eingesetzt werden (siehe orange Box «Was sind Biozide?»). Sie werden im Garten, im Haushalt, an Gebäudefassaden, auf Textilien oder im öffentlichen Raum ausgebracht. Von da können die Gifte einfach in die Umwelt gelangen und die Bestäuberinsekten gefährden. Konkret können Bestäuber über vier Wege mit den Bioziden in Kontakt kommen:[1]
- Verzehr von kontaminierter Nahrung (Nektar, Pollen, Blätter)
- Verzehr von kontaminiertem Wasser (Pfützen, natürliche Gewässer)
- Kontakt mit kontaminierten Materialien, z.B. im Unterschlupf oder am Nistplatz (Erde, Schlamm, Streu, Holz, Stängel)
- Direkter Kontakt in der Luft, während die Produkte ausgebracht werden
Was sind Biozide?
Biozide sind Wirkstoffe, die – aus menschlicher Sicht – unerwünschte Lebewesen abtöten oder sie in ihrer Lebensfunktion einschränken. Die Wirkstoffe können chemisch-synthetische Verbindungen, Mikroorganismen oder natürlich vorkommende Substanzen sein.[2] Der Unterschied zu sogenannten Pflanzenschutzmitteln (PSM) besteht in ihrem Anwendungsbereich: PSM werden hauptsächlich in der Landwirtschaft zum Schutz von Kulturen verwendet, während Biozide auch ausserhalb der Landwirtschaft zum Schutz von Menschen und Materialien eingesetzt werden. Biozide können grob in vier Gruppen eingeteilt werden:[3]
– Desinfektionsmittel
– Schutzmittel
– Schädlingsbekämpfungsmittel
– Sonstige (z.B. Antifouling-Produkte oder Flüssigkeiten für Einbalsamierungen)
Rechtlich ist die Verwendung von Bioziden in der Biozidprodukteverodnung (BPV) geregelt.
Kleine Mengen, grosser Impact
Anders als bei den PSM wurden die Verkaufsmengen von Biozidprodukten bis vor einem Jahr nicht erhoben. Mit der letzten Revision der BPV[4] hat sich das geändert. Seit dem 1. Januar 2024 müssen die Mengen der in Verkehr gebrachten Biozidprodukte erfasst werden. Da diese Daten erst im Verlaufe dieses Jahres vorliegen, muss vorläufig auf Schätzungen zurückgegriffen werden. Im Jahre 2021 wurde der schweizweite Einsatz von Biozidprodukten auf Basis von Zolldaten geschätzt.[5] Berücksichtigt wurden nur insektizide Wirkstoffe. Die Bilanz (Importe abzüglich Exporte) über alle Wirkstoffe ergab einen geschätzten schweizweiten Einsatz von 13.6 Tonnen / Jahr.[6]
Im Vergleich zu den PSM-Verkaufsmengen scheint dieser Wert gering – bei PSM erreichen bereits einzelne Wirkstoffe diese Grössenordnung.[7] Dennoch haben Biozidprodukte einen grossen Impact: Viele Biozide sind hochtoxisch und können deshalb selbst in geringen Mengen Nicht-Zielorganismen wie Bestäuber bei Kontakt erheblich schädigen. Dazu kommt, dass der Siedlungsraum, wo Biozide hauptsächlich eingesetzt werden, wichtiger Rückzugsort für Bestäuberinsekten ist, vor allem Wildbienen (siehe Blogartikel «Landflucht – Städte als Hotspot der Biodiversität?»). So sind auch scheinbar kleine Mengen eine Gefahr für Bestäuber.
Hochtoxisch für Bestäuber
In der Schweiz machen drei Wirkstoffe über 90 Prozent der geschätzten Gesamtmenge aus: Cyromazin, Permethrin und Thiamethoxam.[5] Cyromazin wird zur Bekämpfung von Fliegenlarven in Gülle und Mist angewendet (siehe Abbildung 1). Permethrin zählt zur hochtoxischen Gruppe der Pyrethroide und wird allgemein gegen Insekten eingesetzt. Thiamethoxam, zu den ebenfalls hochtoxischen Neonicotinoiden gehörend, wird als Holzschutzmittel gegen Termiten und Käfer benutzt. Alle drei Wirkstoffe sind für den Einsatz als PSM verboten, als Biozide jedoch weiterhin in Gebrauch.
Dass die Wirkstoffe in der Landwirtschaft verboten wurden, zeugt bereits von ihrer Umwelt- oder Gesundheitsschädlichkeit. Doch wie genau gefährden sie Bestäuberinsekten? Dies wird am Beispiel von Permethrin deutlich. Permethrin ist ein Nervengift, das die Insekten bei Kontakt lähmt.[8] Der Stoff hat ein breites Wirtsspektrum und wird gegen eine Vielzahl von «Schädlingen» angewendet. Beispiele sind Cremen gegen Krätze, die Behandlung von Wollteppichen und anderen Textilien gegen Motten oder Sprays im Haushalt gegen Fliegen, Mücken oder Wespen.
Risikoanalysen[9],[10] belegen, dass Permethrin auch für Nicht-Zielorganismen wie Bienen und andere Nutzarthropoden hochtoxisch ist. Schon in kleinsten Mengen kann Permethrin Bestäuberinsekten schädigen: Weniger als ein Millionstel Gramm Permethrin pro Biene genügen, um die Hälfte eines Bienenvolkes zu töten.[11]
Es ist in der Bevölkerung wenig bekannt, dass Insektensprays und andere Biozidprodukte, die Privatpersonen in Haus und Garten anwenden dürfen, eine bedeutende Gefahrenquelle für Bestäuberinsekten sind.
Fazit
Viele Biozidprodukte enthalten Wirkstoffe, die für Bestäuberinsekten hochtoxisch sind. Schon kleinste Mengen können die Insekten schädigen oder töten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Wirkstoffe als Pflanzenschutzmittel verboten, als Biozidprodukte jedoch weiterhin im Umlauf sind.
Insektengifte in Haus und Garten gefährden Bestäuberinsekten. Es ist fragwürdig, die Verantwortung für eine fachgerechte Anwendung an Privatpersonen zu delegieren. Hier müsste der Bund Verantwortung übernehmen und hochtoxische Produkte für Private verbieten.
[1] Joya & Strauss (2023): Bienen – Blumen – Biozide. UMCO
[2] BAFU (2021): Sorgfältiger Umgang mit Biozidprodukten.
[4] CHEM (2023): Revision der Biozidprodukteverordnung.
[5] Spycher, Ritscher & Dübendorfer (2021): Biozide mit insektizider Wirkung. Mengenabschätzung des schweizweiten Einsatzes. EBP
[6] Für Dänemark sind es 14 Tonnen / Jahr. Für weitere Länder liegen keine vergleichbaren Angaben vor.
[7] Siehe BLW (2025): Verkaufsmenge je Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe 2024_revidiert.
[8] Institut für Veterinärpharmakologie und ‑toxikologie (2025): Wirkstoff – Pharmkologie. Permethrin.
[9] European Chemicals Agency (ECHA) (2014): Evaluation of active substances. Assessment Report. Permethrin.
[10] Mahefarisoa et al. (2021): The threat of veterinary medicinal products and biocides on pollinators: A One Health perspective.
[11] Bei akutem Kontakt LD50 = 0.0235 μg/ Biene. Angaben aus ECHA (2014)