Tefluthrin ist ein Breitbandinsektizid aus der Klasse der synthetischen Pyrethroide. Es tötet praktisch das gesamte Insektenleben – Schädlinge wie Nützlinge – im behandelten Feld. Die Herstellerfirma Syngenta bewirbt das Pestizid damit, es sei im Boden sehr stabil und gewährleiste einen «dauerhaften Schutz der Kulturen»[1]. Tatsächlich baut sich Tefluthrin so langsam ab, dass es rund ein Jahr dauert, bis das behandelte Feld von Nutzinsekten wieder besiedelt werden kann. Von den Feldern gelangt Teflutrin auch in Gewässer, und zwar weit über den vom Ökotoxzentrum der EAWAG veröffentlichten Qualitätskriterien[2]. Das haben mehrere Studien bewiesen[3], namentlich auch für Biotope von nationaler Bedeutung[4].
Greenpeace hat in seiner Beschwerde namentlich bemängelt, dass der Eintrag von Tefluthrin in Gewässer aus Drainagen (rund 30% der Fruchtfolgeflächen sind drainiert[5]) nicht untersucht worden war, obwohl dies von der Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV) vorgeschrieben werde. Das BLW brachte dagegen vor, Drainagen seien wegen des ungenügenden Wissensstandes über die Bedeutung dieses Eintragspfades nicht zu beachten. Das Bundesgericht erteilt diesem Vorwand eine deutliche Abfuhr. Tatsächlich ist das Problem des Pestizideintrags aus Drainagen schon seit den 1990er Jahren bekannt. Das BLW hat seither aber praktisch nichts getan, um es zu lindern, geschweige denn im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel zu berücksichtigen. Geltendes Recht wurde über Jahre ignoriert. Hätte nicht Greenpeace diesen Missstand dank der Verbandsbeschwerde vor das Bundesgericht bringen können, wäre es wohl noch ewig so weiter gegangen. Das Bundesgericht stützte sich dabei auch auf das Vorsorgeprinzip (Art. 1 und 8 Umweltschutzgesetz). Der Bundesgerichtsentscheid hat Bedeutung über diesen Einzelfall hinaus, wird es doch in Zukunft nötig sein, den Eintrag aus Drainagen bei allen PSM-Zulassungen zu bestimmen und zu bewerten.
Ein anderes Thema der Beschwerde war die Vernichtung der Nützlingen wie räuberische Käfer oder Bestäuberinsekten im behandelten Feld und die vom BLW propagierte Möglichkeit der Wiederbesiedlung nach einem Jahr (sog. «Erholungsthese»). Hier erklärte das Bundesgericht zwar nicht die europäische Richtlinie aus dem Jahre 2002[6], welche solchen Effekten nur geringe Grenzen setzt, für rechtswidrig. Es wies den Fall aber für eine Neubeurteilung an die Vorinstanz (heute Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen) zurück. Eine neue Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn mit Auflagen dafür gesorgt wird, dass eine Wiederbesiedlung mit Nützlingen tatsächlich möglich ist. Die Erholungsthese setzt voraus, dass die mit Tefluthrin behandelten Felder an andere, unbehandelte Flächen mit intakten Nützlingsbeständen angrenzen. Hierzu müsste die Anwendung flächenmässig und zeitlich begrenzt werden. Das wird den künftigen Einsatz von Tefluthrin wohl stark einschränken. Dies nützt nicht nur der Natur, sondern auch der Landwirtschaft, die von gesunden Nützlingspopulationen enorm profitiert. Auch dieses wichtige Thema wäre ohne das Verbandsbeschwerderecht nie zu einer Beurteilung gelangt.
Anbei finden Sie das komplette Urteil des Bundesgerichtes auf Deutsch sowie auf Französisch und Englisch (übersetzt mit Deepl, der Verein ohneGift übernimmt keine Gewähr):
[1] https://www.burgenlandnews.at/wp-content/uploads/2019/12/ForceEvo.pdf
[2] https://www.oekotoxzentrum.ch/news-publikationen/news/qualitaetskriterien-am-oekotoxzentrum-neue-werte-und-substanzen-neue-gesamtliste
[3] https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/wasser/fachinfo-daten/aquagas-2022-insektizide-fliessgewaesser.pdf.download.pdf/FA_Daouk_0422_D.pdf
[4] https://www.oekotoxzentrum.ch/media/eh3izdr0/psm_monitoring-bericht-2021.pdf
[5] https://www.agrarforschungschweiz.ch/2022/11/die-nutzung-von-vernaessenden-feuchtackerflaechen-neu-denken/
[6] «SETAC-Richtlinie» siehe: https://www.pan-europe.info/sites/pan-europe.info/files/public/resources/other/_ESCORT 2_non-target arthropods.pdf