Trotz Vegi-Trend immer weniger pflanzliche Nahrungsmittel aus der Schweiz?

Obwohl die pflanzenbasierte Ernährung «boome», würde die Inlandproduktion pflanzlicher Nahrungsmittel schrumpfen, weil der Bund die Zulassung neuer Pflanzenschutzmittel verschleppe, schreibt die Neue Zürcher Zeitung.
Bewuchsspezifische Applikation mit Sensortechnik - Smart Farming steckt in der Schweiz noch in den Kinderschuhen. Quelle: https://www.ag.ch/umwelt-aargau/pdf/UAG_90_41.pd

Das Wichtigste in Kürze:

Weiter schreibt die NZZ: «Die Folgen des Zulassungsstaus bekommen die Bauern schmerzhaft zu spüren: Ihre Erträge im Pflanzenbau sinken, die Qualität der Lebensmittel leidet, im Gegenzug nimmt der Import von pflanzlichen Lebensmitteln stetig zu.»[1] Und weiter: «Was die Landwirtschaftsvertreter besonders schmerzt: Die Nachfrage nach pflanzlichen Nahrungsmitteln hat in den vergangenen Jahren stark angezogen.»[2]

Was auf den ersten Blick plausibel scheinen mag, ist noch lange nicht wahr.

In unserer Recherche sind wir sieben Fragen nachgegangen: [3]

  1. Erste Frage: «Boomt» in der Schweiz die «pflanzenbasierte Ernährung»?
  2. Zweite Frage: Sinkt die Inlandproduktion?
  3. Dritte Frage: Sinken die Erträge?
  4. Vierte Frage: Inwiefern erklärt der «Zulassungsstau» die Ertragsentwicklung?
  5. Fünfte Frage: Nimmt der Import pflanzlicher Nahrungsmitteln wegen fehlenden PSM zu?
  6. Sechste Frage: Spüren die Bauern den Zulassungsstau «schmerzhaft» und sind sie «in Not»?
  7. Siebte Frage: Welche Rolle spielt die Neue Zürcher Zeitung?
  8. Fazit

Das Wichtigste in Kürze:

  1. Auf Basis der verfügbaren Daten sind in der Schweiz kein «Vegi-Trend», kein «Boom pflanzenbasierter Ernährung» und keine stark anziehende Nachfrage nach pflanzlichen Nahrungsmitteln festzustellen. Viele Medien, darunter auch die Neue Zürcher Zeitung, vermitteln ein irreführendes Bild.
  2. Wir haben keine Belege für eine generell sinkende Inlandproduktion gefunden. Dort wo die Inlandproduktion in den vergangenen Jahrzehnten klar abgenommen hat, beispielsweise bei Kartoffeln, (Futter)Gerste, Äpfeln, Birnen und Kirschen, ist der Rückgang eine Folge der gesunkenen Nachfrage.
  3. Wir haben keine Belege für kontinuierlich sinkende Flächenerträge gefunden, jedoch für stagnierende.
  4. Die Inlandproduktion und die Erträge je Hektar hängen von zahlreichen Faktoren ab. Inwiefern ein «Zulassungsstau» bzw. teilweise fehlende Pflanzenschutzmittel (PSM) einen Erklärungsbeitrag liefern, ist bisher ungeklärt.
  5. In der Tat importiert die Schweiz trotz milliardenschwerer Subventionierung der Produktion immer mehr pflanzliche Nahrungsmittel. Nicht wegen fehlender PSM, sondern wegen des Standortes und der Kleinheit der Schweiz: Nur 10 Prozent der Landesfläche sind für den Ackerbau gut geeignet, pro Kopf ist wenig Ackerland verfügbar, 40 bis 60 Prozent des Ackerlandes werden für den Anbau von Tierfutter genutzt, die klimatischen Bedingungen sind für viele beliebte pflanzliche Nahrungsmittel – etwa Reis, Hartweizen (Pasta), Bananen, Zitrusfrüchte – ungeeignet, und die Bevölkerung wächst.
  6. Für die meisten Bauern sind die Direktzahlungen und die ausserlandwirtschaftlichen Einkommen für das Haushaltseinkommen wichtiger als das Einkommen aus der Produktion; fehlende PSM bringen sie nicht «in Not».
  7. Von der wirtschaftsliberalen Neuen Zürcher Zeitung erwarten wir keine einseitige Berichterstattung und keine Steilvorlagen für volkswirtschaftlich schädliche Forderungen des Schweizer Bauernverbands und anderer landwirtschaftlicher Interessenvertreter, wie beispielsweise höhere und neue Zölle oder eine undifferenziert erleichterte Zulassung von Pestiziden.

Erste Frage: «Boomt» in der Schweiz die «pflanzenbasierte Ernährung»?

Die Medien vermitteln seit Jahren das Bild, dass ein wachsender Anteil der Schweizer Bevölkerung vegetarisch oder sogar vegan esse, doch belegen lässt sich diese Behauptung nicht. Über 90 Prozent der Bevölkerung isst Fleisch und gegen 100 Prozent essen auch andere tierische Nahrungsmittel wie Eier, Käse und andere Milchprodukte.[4] Auch die Behauptung, die Schweizer Bevölkerung esse im Durchschnitt immer weniger Fleisch, lässt sich bei genauem Hinsehen nicht belegen.

Derart falschen Vorstellungen sitzt auch die NZZ auf, wenn sie beispielsweise behauptet, dass neue Kulturen wie Quinoa, Hirse oder Kichererbsen «bei den Konsumenten gefragt» seien oder dass sich Haferdrinks «gerade beim jungen Publikum bestens verkaufen» würden. Quellen, die diese Aussagen belegen würden, werden nicht angegeben. Kein Wunder, denn es geht um Mikrotrends und Nischenmärkte, die die mengenmässige Nachfrage geringfügig beeinflussen. Dies gilt ebenso für Hülsenfrüchte wie Linsen, Kidney- und andere Bohnen, Süsslupinen oder die ernährungsphysiologisch besonders wertvollen Sojabohnen, die in der Schweiz vor allem als Tierfutter angebaut werden. Gemäss Agrarstatistik ist der Pro Kopf-Gemüse- und Früchteverbrauch in den letzten Jahren sogar zurückgegangen.[5]

Daran ändert auch die gutgemeinte Schweizer Lebensmittelpyramide kaum etwas. Eine der zentralen Empfehlungen ist, täglich mindestens fünf Portionen Früchte und Gemüse zu essen. Im Jahr 2022 gaben 12,3 Prozent der Schweizer Bevölkerung an, sich an diese Empfehlung zu halten, das waren weniger als 2017 (16,4 Prozent) oder 2012 (14,2 Prozent).[6] Die Ernährungsempfehlungen könnten sogar kontraproduktiv sein, gerade bei der älteren Bevölkerung. Sie wird besonders dazu aufgefordert, genügend Proteine zu essen. Proteine werden in unserer tierlastigen Schweizer Esskultur mit Fleisch und anderen tierischen Nahrungsmitteln in Verbindung gebracht; nicht mit Tofu, Humus und anderem Unvertrautem und auch nicht mit Linsen und Bohnen, die eher für ärmliches als genussvolles Essen stehen.

Abbildung 1: Die Schweizer Esskultur ist durch Milchprodukte und Fleisch geprägt (Bild: Priska Baur & Daniel Burkart, 2015). Quelle: NFP69 Forschungsprojekt NOVANIMAL.ch

Die Schweizer Esskultur (Abbildung 1) ist im Restaurant und im Detailhandel sichtbar und wird durch etablierte Lieferketten stabilisiert. Die Vielfalt an pflanzlichen Nahrungsmitteln und genussvollen Zubereitungen sind wenig bekannt und haben es schwer, gegen die tierlastigen Essgewohnheiten anzukommen. Es fehlt allerorts an Wissen, Fertigkeiten und Motivation.[7]

Die jährlich veröffentlichten Zahlen zum Nahrungsmittelkonsum werden von den Medien mehrheitlich fehlinterpretiert. Sie basieren nicht auf Konsumerhebungen, sondern auf der sogenannten Nahrungsmittelbilanz und sind das Ergebnis von Modellrechnungen zur potentiell verfügbaren Menge, das heisst zum Angebot (englisch supply[8]); also nicht zum Konsum, nicht zur Nachfrage und schon gar nicht zur gegessenen Menge. Berechnet werden diese Zahlen von Agristat, dem statistischen Dienst des Schweizer Bauernverbands. Auf Agristat stützen sich auch das Bundesamt für Statistik BFS und das Bundesamt für Landwirtschaft.

Allerdings fehlen in der Nahrungsmittelbilanz die Auslandeinkäufe, besser bekannt als «Einkaufstourismus». Deshalb unterschätzt Agristat, wie viele Nahrungsmittel verfügbar sind, und überschätzt gleichzeitig, wie viel tatsächlich gegessen wird, denn die Verluste (food waste) sind in der Statistik nicht berücksichtigt. Die erste und bisher einzige Erhebung, wie viel Fleisch, Gemüse etc. in der Schweiz gegessen wird, menuCH 2014/15, wurde vor 10 Jahren durchgeführt.[9]

Bemerkenswert sind die Unterschiede bei der gegessenen Fleischmenge im Zusammenhang mit Alter und Geschlecht (Abbildung 2).[10] Gemäss menuCH 2014/15 essen Frauen im Durchschnitt 40 Prozent weniger Fleisch als Männer. Während der Fleischkonsum bei den Frauen über alle Altersgruppen ähnlich ist, geht er bei den Männern mit zunehmendem Alter zurück. Am grössten sind die Unterschiede in der jüngsten Altersgruppe: 18- bis 34-jährige Männer essen gemäss menuCH mehr als doppelt so viel Fleisch wie 18- bis 34-jährige Frauen.

statistik: Abbildung 2: Gegessene Fleischmenge pro Kopf und Jahr, nach Geschlecht und Alter, Schweizer Bevölkerung, 2014/15
Abbildung 2: Gegessene Fleischmenge pro Kopf und Jahr, nach Geschlecht und Alter, Schweizer Bevölkerung, 2014/15

Zur Behauptung, in der Schweiz werde immer weniger Fleisch gegessen, fehlen Daten und konsistente Zeitreihen, die einen stetigen Rückgang zuverlässig belegen würden.[11] Wahrscheinlicher ist, dass der Fleischkonsum in den letzten 10 bis 20 Jahren ungefähr gleichgeblieben ist. Hauptgründe für die Unterschätzung des verfügbaren Angebots in der offiziellen Statistik sind die privaten Auslandeinkäufe, die in der Nahrungsmittelbilanz nicht berücksichtigt werden, und die Unterschätzung des Geflügelfleischangebots:

  • Auslandeinkäufe: Die Auslandeinkäufe werden nicht systematisch erfasst, jedoch gibt es vereinzelte Erhebungen des Detailhandels. Es geht um viele Milliarden Franken jährlich, darunter Hunderte Millionen Franken für Nahrungsmittel, die in Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich ausgegeben werden.[12] Ein Indiz für die quantitative Bedeutung von Auslandeinkäufen ist, dass das Fleischangebot während Corona gemäss Nahrungsmittelbilanz zugenommen hat.[13] Es ist jedoch wenig plausibel, dass während Corona in der Schweiz mehr Fleisch verfügbar war als in «normalen» Zeiten. Wahrscheinlicher ist eher das Gegenteil, dass insgesamt weniger Fleisch verfügbar war, weil die Auslandeinkäufe eingeschränkt wurden. Für ein geringeres Fleischangebot spricht weiter die eingeschränkte Ausser-Haus-Verpflegung: Gemäss Proviande wird in «normalen» Jahren etwa die Hälfte des Fleischs auswärts gegessen[14]; während Corona wurde aber viel seltener auswärts gegessen. Es ist wenig plausibel, dass ein allfälliger Mehrkonsum zuhause den Rückgang der Ausser-Haus-Verpflegung überkompensiert hat.[15] Zusammenfassende Schlussfolgerung: Je grösser die Preisdifferenz zwischen den Preisen in der Schweiz und im angrenzenden Ausland, desto mehr unterschätzt die Schweizer Statistik den angeblichen Konsum der Schweizer Bevölkerung bzw. das Fleischangebot in der Schweiz.
  • Geflügelfleisch: Gleichzeitig hat Agristat die Zunahme des Geflügelfleischangebots in den letzten Jahren unterschätzt; die Zahlen von Proviande, dem Dachverband der Fleischbranche, sind glaubwürdiger und pro Kopf um mehrere Kilogramm höher.[16] Die offizielle Statistik verschleiert zudem, dass im angeblichen Grasland Schweiz seit 2020 mehr Geflügel- als Rindfleisch produziert wird.

Zum statistischen Rückgang des Pro Kopf-Fleischkonsums (bzw. -Fleischangebots) Ende 1980er bis Ende 1990er Jahre ist folgendes anzumerken: Zwischen 1945 und Anfang 1980er Jahre wurde die Schweizer Schweinefleischproduktion vervierfacht bis zu teuren Überschüssen. Die Politik handelte: Ein Teil der Produktion wurde mit Beiträgen stillgelegt, und es wurden Höchstbestände pro Betrieb eingeführt. Wie viel von diesem Schweinefleisch zu Überproduktionszeiten tatsächlich auf dem Teller landete, und wie viel zu Tierfutter verarbeitet oder entsorgt wurde, ist unklar. Im gleichen Zeitraum ging wegen BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie BSE; Rinderwahnsinn) und der Angst vor der Jakob Creutzfeld Krankheit der Rindfleischkonsum bzw. das Rindfleischangebot zurück.[17]

Zusammenfassend haben wir keine Belege gefunden für einen Vegi-Trend, einen Boom pflanzenbasierter Ernährung oder für eine stark anziehende Nachfrage nach pflanzlichen Nahrungsmitteln. Dazu passt, dass auch der Markt für Fleisch- und Milchersatzprodukte eine Nische bleibt.[18] Essgewohnheiten ändern sich nicht von heute auf morgen.

Zweite Frage: Sinkt die Inlandproduktion?

Im 20. Jahrhundert hat die Schweizer Landwirtschaft auf immer weniger Fläche immer mehr Kalorien produziert. Dies war möglich, weil die Produktion stetig intensiviert wurde. Der Einsatz von Futter-, Dünger- und Pflanzenschutzmitteln (PSM) nahm zu, mit unschönen Folgen: Pestizidrückstände im Trinkwasser und in Nahrungsmitteln, überdüngte Seen, mit Schwermetallen belastete Böden, Rückgang der Artenvielfalt, monotone Landschaften, grosse Ställe ausserhalb der Bauzone. Hinzu kamen Überschüsse, vor allem bei Milch, zeitweise aber auch bei Schweinefleisch und Brotgetreide, die die Bundeskasse jedes Jahr mit Hunderten von Millionen Franken belastete. Nicht zuletzt zahlen die Schweizer Haushalte höhere Preise für Nahrungsmittel als die Bevölkerung in den Nachbarländern.

Für diese teure Fehlentwicklung war hauptsächlich die Landwirtschaftspolitik verantwortlich, die mit Preis- und Absatzgarantien nicht nur die landwirtschaftlichen Einkommen stützte, sondern die Anreize für eine Intensivierung und Ausdehnung der Produktion setzte. Ende der 1980er Jahre war der Problemdruck so gross, dass es endlich zur jahrelang angemahnten Reform der Agrarpolitik kam. Wegleitend war die Trennung von Preis- und Einkommenspolitik: Die landwirtschaftlichen Einkommen sollten über direkte Einkommenstransfers gestützt und die Preise vermehrt den Märkten überlassen werden. Gleichzeitig sollte die Produktion weniger umweltbelastend sein.

Die Agrarreform ist auf halbem Wege steckengeblieben. Zwar kann die Landwirtschaft auf hohe Direktzahlungen zählen: auf insgesamt 2,8 Milliarden Franken pro Jahr; im Durchschnitt sind es über 60’000 Franken pro Betrieb und im Berggebiet sogar über 80’000 Franken. Doch die Preise werden nur begrenzt dem Markt überlassen, die Inlandproduktion wird weiterhin durch einen ausgebauten Grenzschutz vor Konkurrenz geschützt, und die Umweltbelastung ist kaum gesunken. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist die Inlandproduktion zu hoch, den Preis zahlt die Schweizer Bevölkerung.

Gemäss einer ländervergleichenden Studie im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW produzierte die Schweizer Landwirtschaft auch 20 Jahre nach der Agrarreform intensiver als die Kollegen in den Nachbarländern, gemessen an den Tierbeständen und den eingesetzten PSM (jeweils je Hektar).[19] Und dies in einem Land, wo die Bevölkerung besonders betroffen ist, weil die ackerbaulich nutzbaren Flächen im internationalen Vergleich besonders knapp sind und die Landwirtschaft dort intensiv produziert und jedes Jahr Hunderte von Tonnen Pestizide ausbringt[20], wo auch der grösste Teil der Menschen lebt. Trotzdem dauerte es nochmals mehrere Jahre, bis sich der Bundesrat zu einem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel aufraffte, mit dem Ziel, die Risiken des PSM-Einsatzes zu vermindern.

Die Produktion wird in der Schweiz auch durch zahlreiche Direktzahlungsprogramme beeinflusst und gelenkt, beispielsweise die sogenannten Versorgungssicherheitsbeiträge und Einzelkulturbeiträge, etwa für Raps, Sonnenblumen und Sojabohnen. Die höchsten Beiträge werden für Zuckerrüben bezahlt, eine Kultur, die besonders pflanzenschutzmittelintensiv ist.

Teilweise Gegensteuer zur Intensivierung geben die sogenannten Produktionssystembeiträge. Seit 2023 sind mehrere neue oder weiterentwickelte Programme in Kraft, darunter:

  • Beiträge für den effizienten Stickstoffeinsatz im Ackerbau
  • Beiträge für den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel im Ackerbau und in Spezialkulturen
  • Beiträge für den Verzicht auf Pflanzenschutzmitteln in Dauerkulturen

Die Beteiligung an den Programmen war bereits im ersten Jahr eindrücklich, so wurde auf 55 Prozent der Ackerfläche auf Fungizide und Insektizide verzichtet.[21] Von früheren Direktzahlungsprogrammen ist allerdings bekannt, dass sie besonders für Betriebe attraktiv sind, die die Vorgaben problemlos und ohne deutliche Verhaltensänderungen erfüllen können (sogenannte Mitnahmeeffekte). In welchem Ausmass die neuen Beiträge zu einer geringeren Nachfrage nach PSM und zu einer Senkung der Inlandproduktion beitragen, muss sich erst noch zeigen.

Dort wo die Inlandproduktion klar zurückgegangen ist, ist es primär eine Folge der gesunkenen Nachfrage aufgrund veränderter Essgewohnheiten. Besonders deutlich zeigt sich das bei Kartoffeln, wo die Anbaufläche zwischen 1961 und 2023 von 51’000 auf 11’000 Hektar und die Produktion von 1,2 Millionen Tonnen auf weniger als 400’000 Tonnen (Dreijahresmittel) abgenommen hat (Abbildung 3).

Abbildung 3: Kartoffeln: Anbaufläche und Produktion, 1961-2023

Vergleichbar ist die Entwicklung bei Kirschen, wo die Produktion zwischen 1961 und 2023 von über 50’000 Tonnen auf weniger als 10’000 Tonnen (Dreijahresmittel) zurückgegangen ist (Abbildung 4).

Abbildung 4: Kirschen: Anbaufläche und Produktion, 1961-2023

Ein anderes Bild zeigt sich bei Zuckerrüben. Die Anbaufläche nahm zwischen 1961 und 2014 von 5’000 auf 21’000 Hektar zu und die Produktion von 200’000 auf über 1,5 Millionen Tonnen (Dreijahresmittel) (Abbildung 5). In den letzten Jahren ging die Produktion zurück, weil sie zu wenig rentierte.

Abbildung 5: Zuckerrüben: Anbaufläche und Produktion, 1961-2023

Die Schweizer Zuckerrübenproduktion ist nicht wettbewerbsfähig, sie wurde mit Hilfe massiver Subventionierung ausgedehnt. Diese pestizidintensive Kultur ist gleichzeitig die kalorienreichste und hilft, den sogenannten Selbstversorgungsgrad nach oben zu frisieren.[22]

Analog ist die Entwicklung des Schweizer Rapsanbaus. Die Anbaufläche nahm zwischen 1961 und 2014 von rund 6’000 auf über 25’000 Hektar zu und die Produktion von rund 10’000 auf über 80’000 Tonnen (Dreijahresmittel) (Abbildung 6). Auch Raps zählt zu den pestizidintensiven Kulturen und wird in der Schweiz in diesem Ausmass nur wegen hoher Subventionen angebaut.

Abbildung 6: Rapssamen: Anbaufläche und Produktion, 1961-2023

Falls in der Schweiz in Zukunft weniger pflanzliche Nahrungsmittel wie Zuckerrüben und Raps produziert werden, so ist dies aus volkswirtschaftlicher Sicht kein Schaden, im Gegenteil.

Die NZZ nennt die Zunahme des Bio-Zuckerrübenanbaus in den letzten Jahren als positives Beispiel für den Schweizer Pflanzenbau, wenn alle Marktakteure mitmachen. Ausgerechnet (Bio)Zucker. Die Schweizer Subventionspolitik konkurrenziert Zuckerrohrproduzenten im Süden, die über die Voraussetzungen verfügen, Biozucker zu produzieren. Nun soll dasselbe mit den Produzenten passieren, die Hirse, Quinoa oder Kichererbsen anbauen und oft aus dem Süden stammen? Indem sie keine kritischen Stimmen zu Wort kommen lässt, unterstützt die NZZ die protektionistische und entwicklungsschädliche Forderung nach höheren Zöllen für neue Kulturen.

Dritte Frage: Sinken die Erträge?

Die durchschnittlichen (Flächen)Erträge können von Jahr zu Jahr stark schwanken. Für dieses Auf und Ab ist die Witterung der Hauptgrund. So war 2024 aufgrund der extremen Witterung das schlechteste Jahr für Brotgetreide seit Jahrzehnten[23] und die Weinlese die zweitschwächste Ernte der letzten 50 Jahren[24].

Das grundsätzliche Ertragspotential wiederum hängt von den natürlichen Standortbedingungen ab, also von Klima, Boden, Höhe über Meer, Exposition und Topographie. Für den Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln sind nur etwa 10 Prozent der Schweizer Landesfläche gut geeignet.

Die Ertragstrends über mehrere Jahre sind von vielen weiteren Faktoren abhängig: Produktionssystem, Düngung und Pflanzenschutz (z.B. Bio-Landbau, Integrierte Produktion, Ökologischer Leistungsnachweis), Anbautechnik (z.B. herkömmliche flächendeckende Düngung und Pflanzenschutz oder ökologisch intelligent und gezielt), Sortenwahl (Pflanzenzüchtung), Krankheits- und Schädlingsdruck. Wichtig sind auch die Preise für Produkte und Hilfsmittel (z.B. für Dünger und Pflanzenschutzmittel), Einzelkulturbeiträge (z.B. für Zuckerrüben, Raps, Soja) und Dutzende von Direktzahlungsprogrammen (z.B. für Produktionserschwernisse, offene Ackerflächen, umweltschonenden Pflanzenschutz, Bodenfruchtbarkeit)[25]; sie beeinflussen, welche Kulturen mit welcher Intensität angebaut werden. Je höher die Produktpreise – dank Grenzschutz -, desto finanziell interessanter eine Intensivierung und Ausdehnung der Produktion.

Daten der Food and Agriculture Organization der UNO (FAO) über mehrere Jahre zeigen keinen Negativtrend der Pflanzenbauerträge in der Schweiz in den letzten Jahren, auch nicht im Vergleich zu den Nachbarländern Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich.[26] Jedoch stagnieren beispielsweise die Weizenerträge seit den 1980er Jahren (Abbildung 7), als die Schweizer Produzenten als Reaktion auf die im internationalen Vergleich rekordhohen Weizenpreise teure Überschüsse produzierten.[27]

Abbildung 7: Weizenerträge (yield, dt/ha) im Ländervergleich, 1961-2023

Auch die Kartoffelerträge stagnieren seit ungefähr Anfang 1990er Jahre (Abbildung 8). Bei manchen Kulturen, beispielsweise auch Weizen und Kartoffeln, waren die Erträge in der Schweiz in den meisten Jahren dabei höher als in Österreich, das in vielerlei Hinsicht mit der Schweiz vergleichbar ist.

Abbildung 8: Kartoffelerträge (yield, dt/ha) im Ländervergleich, 1961-2023

Von stagnierenden Erträgen im Ackerbau geht auch Agroscope in den Modellen zur Simulation von landwirtschaftlichen Entwicklungen aus. Dies schreibt uns Anke Möhring, Agrarökonomin am Forschungsinstitut für Biologischen Landbau, die von 2000 bis 2023 für Agroscope, die Forschungsanstalt des Bundesamtes für Landwirtschaft, arbeitete.

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive sind nicht möglichst hohe (physische) Erträge das Ziel. Sondern, wie Robert Finger, Professor und Leiter der Gruppe für Agrarökonomie und -politik, ETH, uns schreibt: «Wichtiger als der Ertrag pro Hektar ist wohl eher der Fussabdruck pro Kilogramm Lebensmittel. Auch weniger Ertrag kann gut sein, wenn die Umweltbelastung stark sinkt.» Global betrachtet ist gemäss Robert Finger die ungleiche Verteilung der Produktionsmittel ein grundsätzliches Problem. Wo bei uns die Intensität zu hoch ist, ist sie andernorts, in vielen armen Ländern, zu tief.

Vierte Frage: Inwiefern erklärt der «Zulassungsstau» die Ertragsentwicklung?

Laut Schweizer Bauernverband und BLW, zitiert in den beiden NZZ-Beiträgen ([1], [2]), gibt es gegen 100 Lücken beim Schutz von Kulturen. Was eine Lücke ist, bei welchen Kulturen es Lücken gibt und inwiefern sie sich auf die Inlandproduktion auswirken, mengenmässig und finanziell, bleibt unklar. Auch weil es zwei Instrumente gibt, um PSM-Einschränkungen zu umgehen: Sonderbewilligungen und Notfallzulassungen. Eine Sonderbewilligung wird erteilt, um Kulturen mit PSM zu behandeln, die im Ökologischen Leistungsnachweis ÖLN eigentlich nicht erlaubt wären. Laut BLW wurden 2023 insgesamt 6’440 Sonderbewilligungen für 25’203 Hektaren erteilt.[28] Hinzu kommen zahlreiche Notfallzulassungen, für 2025 gibt es aktuell über 39 Allgemeinverfügungen über die Bewilligung eines Pflanzenschutzmittels in Sonderfällen.[29] Falls die Erträge trotz Sonderbewilligungen und Notfallzulassungen sinken, erklären sogenannte Lücken bzw. fehlende PSM einen allfälligen Ertragsrückgang nicht überzeugend.

Agroscope arbeitet an einem Projekt, das die Auswirkungen des Wegfalls von PSM untersucht. Ausgelöst wurde das Projekt durch ein Postulat von Jacques Bourgeois, bis 2023 FDP-Nationalrat und von 2002 bis 2020 Direktor des Schweizer Bauernverbands.[30] Laut Auskunft von Simon Koller, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Agroscope, sind die Herausforderungen für die Landwirtschaft gross, mit einer eingeschränkten PSM-Auswahl und unter wechselnden Witterungsbedingungen den Anforderungen des Handels zu genügen. Doch würden viele Faktoren die Pflanzenerträge und ihre Qualität beeinflussen. Simon Koller schreibt uns: «Derzeit können wir keine abschliessenden Antworten zum Einfluss der einzelnen Faktoren auf die Entwicklung des Ertrags geben.»

In der Strategie für einen nachhaltigen Schutz der Kulturen 2035, die das BLW derzeit erarbeitet und die im Entwurf vorliegt, fehlen entscheidende Informationen, um die Bedeutung fehlender PSM und die angebliche Dringlichkeit von Notfallzulassungen zu beurteilen. So ist nicht ersichtlich, bei welchen konkreten Kulturen und konkreten Schadorganismen Bekämpfungslücken vorliegen, inwiefern fehlende Pflanzenschutzmittel welche Produktions- und Ertragsschwankungen verursachen oder für welche Betriebe welche konkreten finanziellen Schäden entstehen. Eine transparente Analyse fehlt.

Der «Zulassungsstau» im Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV erklärt bisher weder die Entwicklung der Inlandproduktion noch der Erträge. Aber er wird zu Recht kritisiert. Bei gegen 700 unbehandelten Gesuchen muss von einem Vollzugsnotstand gesprochen werden. Er sollte jedoch nicht durch eine undifferenzierte Lockerung der Gesetzgebung behoben werden, sondern indem die nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. An erster Stelle braucht es kompetentes Personal. Das ginge ohne zusätzliche Bundesmittel, jedoch wäre eine Verlagerung nötig. Tipp: Agroscope beschäftigt etwa 1’000 Mitarbeitende und das BLW über 200 Personen. Zweitens braucht es eine differenzierte Betrachtung: Risikoarme Pflanzenschutzmittel, beispielsweise viele biologische PSM, könnten mit einem angepassten Risiko-Assessment vereinfacht zugelassen werden.

Fünfte Frage: Nimmt der Import pflanzlicher Nahrungsmitteln wegen fehlenden PSM zu?

In der Tat importiert die Schweiz trotz milliardenschwerer Subventionierung der Produktion immer mehr pflanzliche Nahrungsmittel. Das hat aber nicht mit fehlenden PSM zu tun, es ist primär die Folge des Standortes und der Kleinheit der Schweiz. Von den vier Millionen Hektaren Landesfläche sind nur etwa 400’000 ha für den Ackerbau geeignet; pro Kopf sind weniger als fünf Aren Ackerland verfügbar. Global sind es fast viermal mehr und auch in unseren Nachbarländern Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich gibt es pro Kopf deutlich mehr Ackerland (Abbildung 9).

Abbildung 9: Ackerland, Aren pro Kopf: Vergleich Schweiz mit ausgewählten Ländern der EU und weltweit, 2018 (ohne die «Spitzenländer» Kazachstan, 162,4 Aren pro Kopf und Australien, 124,4 Aren pro Kopf).

Hinzu kommt, dass die Schweizer Landwirtschaft auf die Tierproduktion spezialisiert ist und deshalb 40 bis 60 Prozent des Ackerlandes nicht für den Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel, sondern von Tierfutter genutzt werden. Das reicht allerdings bei weitem nicht, um die Schweizer Tierbestände zu ernähren. Schliesslich sind auch die klimatischen Bedingungen für viele beliebte pflanzliche Nahrungsmittel – etwa Reis, Hartweizen (Pasta), Bananen, Zitrusfrüchte – ungeeignet.

Viele Länder weltweit haben bessere landwirtschaftliche Produktionsbedingungen als die Schweiz, insbesondere mehr Land und weniger dicht besiedelte Anbauregionen. Das gilt auch für die meisten Herkunftsländer unserer Nahrungsmittelimporte. Deshalb müssen Mehrimporte pflanzlicher Nahrungsmittel keine ökologische Verschlechterung bedeuten, im Gegenteil. Besonders nicht, wenn sie mit einem geringeren Fleischkonsum einhergehen. Die inländische Fleischproduktion basiert zur Hälfte auf importierten Futtermitteln.[31] Über eine Million Tonnen Weizen, Soja und andere Futtermittel sind es jährlich.[32] Da fallen importierte pflanzliche Nahrungsmittel, die direkt – ohne Umweg übers Tier – gegessen werden, im Vergleich wenig ins Gewicht.

Die Schweiz braucht für ihre Ernährungssicherheit nicht eine möglichst hohe Inlandproduktion. Im Gegenteil gefährdet eine hohe und das heisst in der Schweiz eine intensive Produktion die natürlichen Lebensgrundlagen und damit auch die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen. Die Schweiz braucht für ihre Ernährungssicherheit eine standortangepasste Landwirtschaft und eine überzeugende Lagerhaltung, vor allem aber braucht sie Handel.

Sechste Frage: Spüren die Bauern den Zulassungsstau «schmerzhaft» und sind sie «in Not»?

Sinken die Preise und steigen die produktionsmengenunabhängigen Direktzahlungen, so hängt das Einkommen weniger von den Erträgen ab. Auch die Intensivierung und Ausdehnung der Produktion lohnt weniger. Genau das ist nach der agrarpolitischen Neuorientierung vor 30 Jahren passiert. Seither sind in der Schweiz beispielsweise auch die Weizen- und Kartoffelerträge nicht mehr gestiegen. Heute wirken sich tiefere Erträge viel weniger auf das Einkommen aus als unter der Nachkriegsagrarpolitik bis Anfang 1990er Jahre.

Die Haushaltseinkommen der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe haben sich in den letzten 30 Jahren positiv entwickelt. Die Direktzahlungen verteilen sich auf immer weniger Betriebe. 1993 wurden an 70’000 Betriebe durchschnittlich 20’000 CHF Direktzahlungen ausbezahlt, 2023 waren es durchschnittlich 67’000 CHF an rund 42’000 Betriebe.[33]

Die meisten Schweizer Bauern erzielen den grösseren Teil ihres Haushaltseinkommens nicht mit der Produktion, sondern mit Direktzahlungen und ausserlandwirtschaftlichen Einkommen. Wichtig wäre, dass sie nicht möglichst viel, sondern wirtschaftlich produzieren und nicht mit den Direktzahlungen und dem ausserlandwirtschaftlichen Einkommen eine unrentable Produktion querfinanzieren.

Anders sieht es für die spezialisierten Gemüse-, Obst- und Weinbaubetriebe aus, die ihr Einkommen primär mit der Produktion erwirtschaften. Auf diesen Betrieben liefern die Direktzahlungen einen kleinen Einkommensbeitrag. Gleichzeitig sind die Anzahl PSM-Anwendungen und die Wirkstoffmengen auf diesen Betrieben am höchsten, wie das Agrarumweltmonitoring belegt.[34] Kernobst- und Rebbau stehen zuvorderst bei der Anzahl Anwendungen und Wirkstoffmengen, vor allem bei den Fungiziden (Abbildung 10). Rund ein Drittel aller in der Schweiz verwendeten Pflanzenschutzmittel sind Fungizide in Reben. Während für Obst- und Rebbaubetriebe repräsentative Zahlen vorliegen, fehlen diese für Gemüsebaubetriebe. Diese spezialisierten Betriebe spüren fehlende PSM am meisten.

Abbildung 10: Äpfel und Reben werden am häufigsten und mit den grössten Mengen gespritzt. Anzahl Interventionen (links) und Wirkstoffmengen Pflanzenschutzmittel (rechts), nach Kultur und Wirkstoffgruppe, Mittelwert 2009 – 2018. Quelle: Agroscope (2020): Agrarumweltmonitoring

Siebte Frage: Welche Rolle spielt die Neue Zürcher Zeitung?

Blick am Sonntag hatte Anfang Jahr getitelt: «Chef Lobbyist Markus Ritter macht Druck. Bauernverband will verbotene Pestizide einsetzen» und weiter: «Das Parlament will die Zulassung von Pestiziden erleichtern. Dem Bauernverband ist das nicht genug: Er lobbyiert hinter den Kulissen für eine Lockerung des Pestizidverbots.»[35]

Das klingt, wie wenn die NZZ dem Bauernverband Steilvorlagen liefern würde. In der Tat sind die zwei Beiträge Bauern in Not[1] und Immer weniger Lebensmittel von Schweizer Äckern[2] einseitig recherchiert. So wird in Bauern in Not der Vertreter des Bauernverbandes viermal zitiert. Zitiert werden ausserdem ein Vertreter des Schweizerischen Gemüseproduzentenverbands und der Mitte-Fraktionschef Philipp Bregy, der 2022 eine parlamentarische Initiative für eine vereinfachte Zulassung von PSM eingereicht hat[36] sowie das bauernverbandsnahe BLW. Im Beitrag Immer weniger Lebensmittel von Schweizer Äckern werden zwei Bauernverbandsvertreter und der Präsident von Bio Suisse zitiert. Andere Perspektiven und Expertisen kommen nicht vor.

Wir haben am 3. und am 17. Februar 2025 bei David Vonplon, dem Autor der beiden NZZ-Beiträge, nachgefragt, auf welche Quellen er sich stützt, und wie er seine Behauptungen begründet. Eine Antwort haben wir bis heute nicht erhalten. Beim zweiten Artikel vom 10. Juli 2025 haben wir auf eine Nachfrage verzichtet.

Fazit

Eine vermehrt pflanzenbasierte Ernährung wäre für die menschliche Gesundheit, die Tiere in der Landwirtschaft und die Umwelt erfreulich. Doch zeigen die Statistiken ein anderes Bild; von einem nationalen Boom und Vegi-Trend kann keine Rede sein. Daran ändern auch die gutgemeinte und in ihrer Wirkung bedeutungslose oder sogar kontraproduktive Schweizer Lebensmittelpyramide nichts. Auch Zölle für neue Kulturen sind einer vermehrt pflanzlichen Ernährung nicht förderlich. Sie schaden nicht nur den Schweizer Haushalten, sondern auch den ProduzentInnen in den wettbewerbsfähigen Herkunftsländern.

Die Herausforderungen für den Pflanzenbau nicht nur in der Schweiz, sondern global, sind beträchtlich und durch die klimatischen Veränderungen werden sie noch grösser. Wenig konstruktiv ist es, nicht chemisch-synthetische PSM lächerlich zu machen, indem wie im NZZ-Beitrag Magermilch als einziges Beispiel für einen neuen Naturstoff angeführt wird. Eine undifferenziert erleichterte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln kann nicht die Lösung sein. Im Gegenteil: Bremst sie doch die Entwicklung von ökologisch intelligenten Anbau- und Produktionssystemen.


[1] Vonplon, David. Mit Magermilch gegen Schädlinge: wie der Bund den Pflanzenschutz blockiert und die Bauern in Not bringt. Neue Zürcher Zeitung, 13. Januar 2025.

[2] Vonplon, David. Trotz Vegi-Trend: Immer weniger Lebensmittel stammen von Schweizer Äckern. Neue Zürcher Zeitung, 10. Juli 2025.

[3] Der Recherchebericht zur Entwicklung des Schweizer Pflanzenbaus in den letzten Jahrzehnten ist in Arbeit: Baur, Priska (demnächst). Schweizer Pflanzenbau, 1961-2023. Anbauflächen und Produktion in der Schweiz und Erträge im Vergleich zu den Nachbarländern Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich. Zürich. Ca. 50 Seiten.

[4] Quellen: Laut Swissveg Report 2024 leben 5,3 Prozent der Schweizer Bevölkerung 14+ vegetarisch und 0,7 Prozent vegan; https://www.swissveg.ch/de/swissveg-report-statistiken-2024 (letzter Zugriff: 18.07.2025). Diese Zahlen bestätigen die Ergebnisse früherer Erhebungen: Gemäss der ersten Nationalen Ernährungserhebung menuCH 2014/15 essen 4,7 Prozent kein Fleisch und 0,4 Prozent überhaupt keine tierischen Produkte. Gemäss Erhebungen von Proviande essen 95 Prozent der Bevölkerung Fleisch; https://www.proviande.ch/sites/proviande/files/2025-07/Dossier_Erna%CC%88hrungsweisen_Proviande_250626_DE_2.pdf (letzter Zugriff: 17.07.2025)

[5] Quelle: Schweizer Bauernverband, Agristat (2024). Statistische Erhebungen und Schätzungen über Landwirtschaft und Ernährung, Kapitel 7 Nahrungsmittelbilanz. Tabelle 7.5; https://www.sbv-usp.ch/fileadmin/sbvuspch/04_Medien/Publikationen/SES/07_SES2023_Nahrungsmittelbilanz.pdf (letzter Zugriff: 22.07.2025)

[6] Quelle:

[7] Siehe Forschungsprojekt NOVANIMAL Innovations for a future-oriented consumption and animal production, ein Projekt des Nationalen Forschungsprogramms NFP 69 Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion; https://novanimal.ch/ (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[8] Siehe FAO-Statistik, wo die Schweizer Daten, die in der Schweiz irreführend als Konsum/Verbrauch bezeichnet werden, korrekt «supply» genannt werden; https://www.fao.org/faostat/en/#data/SCL (letzter Zugriff: 18.07.2025) 

[9] menuCH 2014/15 ist die erste und bisher einzige repräsentative Erhebung der Ernährung der (18- bis 75-jährigen) Schweizer Bevölkerung, auf Basis einer detaillierten Befragung (Selbstdeklaration); https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/lebensmittel-und-ernaehrung/ernaehrung/menuCH.html (letzter Zugriff: 17.07.2025)

[10] Quelle Abbildung: Baur, Priska; Schluep, Isabelle; Minsch, Jürg (2017). Trends im Bedürfnisfeld Ernährung: Treiber und Hemmnisse auf dem Weg zu ressourcenleichten Esskulturen. NOVANIMAL Working Paper Nr. 1. 54 S. Wädenswil: ZHAW. Doi: 10.21256/zhaw-1401

[11] Baur, Priska (2023). Wie viel Fleisch isst die Schweizer Bevölkerung? Orientierung im Zahlensalat. VEG-INFO 2023-2: 12-14; https://priskabaur.ch/2024/12/20/orientierung-im-zahlensalat-beitrag-im-veg-info-2023-2/

[12] Gemäss der Swiss Retail Federation fliessen jährlich mehr als 8 Milliarden CHF ins Ausland ab und haben die Auslandeinkäufe nach Corona wieder deutlich zugenommen; im ersten Halbjahr 2023 um 10,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr: https://www.swiss-retail.ch/news/einkaufstourismus-gewinnt-wieder-rasant-an-fahrt/ (letzter Zugriff: 18.07.2025).

In einer früheren Studie des Marktforschungsinstituts GFK Switzerland im Auftrag der IG Detailhandel Schweiz wurden 2013 von 8,8 Milliarden CHF total 2,3 Milliarden für Lebensmittel ausgegeben, davon 560 Millionen für Fleisch, Fisch und Charcuterie und 350 Millionen für Milch, Joghurt, Eier, Quark, Butter etc. Der Schweizer Fleischfachverband schätzte die Ausgaben für Fleisch auf Basis einer Studie von Matthias Binswanger, FHNW, für das Jahr 2016 sogar auf 1,2 bis 1,6 Milliarden Franken.

[13] Gemäss Proviande stieg das totale Fleischangebot in der Schweiz 2019-2021 von 441’855 auf 456’175 Tonnen Verkaufsgewicht und das Pro Kopf-Angebot von 51,14 auf 51,84 kg; 2024 betrug es 49,86 kg; https://www.proviande.ch/sites/proviande/files/2020-05/Der%20Fleischmarkt%20im%20%C3%9Cberblick%20-%20Aktuelle%20Ausgabe.pdf (letzter Zugriff: 18.07.2025)

[14] Proviande (div. Jahre). Der Fleischmarkt im Überblick. https://www.proviande.ch/de/der-fleischmarkt-in-zahlen (16.07.2025).

[15] Auch deshalb nicht, weil Fleisch in der Kantine oder sogar im Restaurant gefühlt weniger teuer ist als zuhause. Hinzu kommt das mehrheitlich wenig attraktive vegetarische Angebot, quantitativ und qualitativ. So wählt auswärts auch Fleisch, wer zuhause nicht jeden Tag Fleisch isst.

[16] Geflügelfleisch, pro Kopf und Jahr:

  • Angebot gemäss Proviande (siehe Fussnote 13): 2022: 14,99 kg, 2023: 14,69 kg, 2024: 15,89 kg
  • Verbrauch gemäss Agristat (siehe Fussnote 5): 2022: 11,6 kg, 2023: 11,3 kg, 2024: noch nicht publiziert

[17] Die Schweiz war im internationalen Vergleich besonders von BSE betroffen. Gemäss Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV gilt die Schweiz seit 2015, nach jahr(zehnt)elanger intensiver Bekämpfung, als Land mit vernachlässigbarem BSE-Risiko. https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/tiere/tierseuchen/uebersicht-seuchen/alle-tierseuchen/bse-beim-tier-und-variante-creutzfeldt-jakob-disease-beim-menschen.html (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[18] Der Marktanteil liegt gemäss Marktbeobachtung des Bundesamtes für Landwirtschaft bei wenigen Prozentpunkten, bei Fleischersatzprodukten im Detailhandel bei 2,3 Prozent (2021), bei Milchersatzprodukten bei 4,2 Prozent (2021); https://www.agrarmarktdaten.ch/markt/milch-und-fleischersatzprodukte (letzter Zugriff: 17.07.2025). Am grössten ist der Marktanteil bei Trinkmilch. Dabei ist zu beachten, dass das Trinkmilchangebot seit Jahrzehnten zurückgeht und mengenmässig einen kleineren Teil der Milchprodukte ausmacht. 2023 wurden gemäss Milchstatistik 10 Prozent der verarbeiteten Milch (in Milchaequivalenten) zu Konsummilch verarbeitet; https://www.sbv-usp.ch/fileadmin/user_upload/MISTA2023_def_online.pdf (letzter Zugriff: 17.07.2025)

[19] Baur, Priska & Nitsch, Heike (2013). Umwelt- und Tierschutz in der Landwirtschaft: Ein Vergleich der Schweiz mit ausgewählten europäischen Ländern unter besonderer Berücksichtigung des Vollzugs. Schlussbericht. 91 S.

[20] Bundesamt für Landwirtschaft BLW (2025). Verkaufsmenge je Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff. 2024_revidiert. 10. Januar 2025

[21] Agrarbericht 2024 kompakt, S. 4; https://www.agrarbericht.ch/de/service/dokumentation/publikationen (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[22] Baur, Priska & Flückiger, Stefan (2018). Nahrungsmittel aus ökologischer und tiergerechter Produktion – Potential des Standortes Schweiz. Wädenswil: ZHAW. https://digitalcollection.zhaw.ch/items/769bfe35-5537-4163-98f9-f8a855299de8 (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[23] Medienmitteilung Bundesrat, 29.01.2025; https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen/bundesrat.msg-id-103964.html (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[24] Medienmitteilung Bundesamt für Landwirtschaft, 20.02.2025; https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-104190.html (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[25] Übersicht über die Direktzahlungen: https://www.blw.admin.ch/de/direktzahlungen (letzter Zugriff: 17.07.2025)

[26] FAOSTAT, eigene Auswertungen 1961-2023 für mehrere Kulturen; https://www.fao.org/faostat/en/#data/QCL Der Bericht zur Recherche erscheint demnächst (siehe Fussnote 2).

[27] Baur, Priska; Meyer, Leo; Rieder, Peter (1994). Politökonomische Analyse der Getreidepolitik. Nationales Forschungsprogramm 27, Wirksamkeit staatlicher Massnahmen, Reihe Schlussberichte, Bern. 69 S.

[28] Agrarbericht 2024: https://www.agrarbericht.ch/de/politik/direktzahlungen/vollzug (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[29] Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV; https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/zulassung-pflanzenschutzmittel/anwendung-und-vollzug/notfallzulassungen.html (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[30] Postulat Wegfall wirksamer Wirkstoffe für den Schutz von Kulturen und Einschränkungen im Bereich der Dünger. Welche Auswirkungen für die Landwirtschaft? Eingereicht am 27.09.2023; https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20234074 (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[31] Baur, Priska & Krayer, Patricia (2021). Schweizer Futtermittelimporte – Entwicklung, Hintergründe, Folgen. Forschungsprojekt im Auftrag von Greenpeace Schweiz. Wädenswil: ZHAW. https://digitalcollection.zhaw.ch/server/api/core/bitstreams/9425bfd3-455c-4fd8-bf7e-5e2169e799bb/content (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[32] Agristat/Schweizer Bauernverband. Statistische Erhebungen und Schätzungen über Landwirtschaft und Ernährung SES. Kapitel 4 Versorgungsbilanzen, div. Jahre; beispielsweise SES 2024, Tabelle 4.8 Futtermittel 2023: Aufkommen nach Herkunft, S. 15; https://www.sbv-usp.ch/de/services/agristat-statistik-der-schweizer-landwirtschaft/statistische-erhebungen-und-schaetzungen-ses/versorgungsbilanzen (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[33] Eigene Berechnung auf Basis Zahlen des Bauernverbandes für 1993 (Schweizerische Erhebungen und Schätzungen, 1994, S. 130, 137; https://www.sbv-usp.ch/fileadmin/sbvuspch/04_Medien/Publikationen/SES/Archiv/SES_1994-71.pdf; letzer Zugriff: 16.07.2025) und des Bundesamtes für Landwirtschaft für 2023 (Agrarbericht 2024).

[34] De Baan, Laura (2020). Verkauf und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Agrarbericht 2020; https://2020.agrarbericht.ch/de/umwelt/wasser/verkauf-und-einsatz-von-pflanzenschutzmitteln (letzter Zugriff: 16.07.2025)

[35] Lino Schaeren. Chef-Lobbyist Markus Ritter macht Druck. Bauernverband will verbotene Pestizide einsetzen. Blick am Sonntag, 16.02.2025

[36] Die Parlamentarische Initiative Modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen wurde am 16.06.2022 eingereicht; https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20220441 (letzter Zugriff: 16.07.2025)

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