Pflanzenschutz auf Kosten der Gesundheit? PaIv Bregy Teil 3: Fosthiazat – Wie ein veraltetes Insektizid zur neuen Gefahr wird

Pflanzenschutzmittel ausbringen, nur, weil sie in umliegenden Ländern zugelassen sind. Das ist nicht nur unschlüssig, sondern auch gefährlich. Eine solche Regelung übersieht standortspezifische Unterschiede zwischen der Schweiz und den umliegenden Ländern. So ist hierzulande das Risiko für Pestizideinträge in Gewässer wegen häufigen Niederschlägen höher. Damit werden gefährliche, wasserlösliche Stoffe – wie z.B. Fosthiazat – zu einer reellen Gefahr für die Bevölkerung.
Abbildung 1: Ungeborene Kinder können durch das Insektizid Fosthiazat Schaden nehmen. Ein Risiko, welches die PaIv Bregy in Kauf nimmt. Bild: Freepik, AI generiert.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Schweiz weist andere klimatische und agronomische Bedingungen auf als die Referenzländer der PaIv Bregy; Häufiger Niederschlag und ein dichtes Drainagesystem erhöhen hierzulande das Risiko, dass wasserlösliche Pestizide in Gewässer gelangen.
  • Eines dieser wasserlöslichen Stoffe ist Fosthiazat: Ein Insektizid, welches die Fruchtbarkeit von Frauen und die Embryonalentwicklung stören kann sowie neurotoxisch ist.
  • Deswegen ist eine Umwelt- und Gesundheitsprüfung bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unerlässlich und eine Umsetzung, wie sie die PaIv Bregy vorsieht, fahrlässig.

Wie bereits in den letzten beiden Blogartikel thematisiert, möchte die parlamentarische Initiative (PaIv) Bregy (22.441 «Modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen») ermöglichen, dass Wirkstoffe ohne wesentliche Umwelt- und Gesundheitsprüfung in der Schweiz zugelassen werden. Dies dann, wenn sie bereits in einem der sechs Referenzländer Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, Belgien oder Niederlanden zugelassen sind.

Dies ist aus mehreren Gründen nicht zielführend und zudem gesundheitsgefährdend. Einer der Gründe liegt in den unterschiedlichen Umweltbedingungen, die wir in der Schweiz im Vergleich zu den sechs Referenzländern haben.

Schweizerische Umweltbedingungen erhöhen das gesundheitliche Risiko

Die Befürworter der PaIv Bregy argumentieren damit, dass die vereinfachte Zulassung von PSM aus den Referenzländern durch ähnliche agronomische und klimatische Bedingungen gerechtfertigt sei. Dieses Argument ist jedoch nicht schlüssig. Durch die Alpen und den Jura weist die Schweiz andere Umwelt- und Agrarbedingungen auf als die Referenzländer. Beispielsweise gibt es in der Schweiz bedingt durch den Alpenbogen deutlich mehr Niederschläge als in den Referenzländern der PaIv Bregy.[1] Dadurch ist die Gefahr der Auswaschung von Pestiziden erhöht und Grund- und Trinkwasser sind durch toxische Stoffe besonders gefährdet.

Niederschlagsbedingt gibt es in der Schweiz zudem besonders viele Drainagen. Mindestens 25% der landwirtschaftlich genutzten Böden sind drainiert.[2] Dies betrifft vorwiegend Flächen in Tallagen mit geringer Hangneigung – also genau die Gebiete mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und hohem Pestizideinsatz. Dieses Drainagesystem begünstigt folglich den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln und ihren Abbauprodukten in Gewässer.

Dieses erhöhte Risiko für Einträge in Gewässer wird dann besonders relevant, wenn die angewendeten Wirkstoffe für den Menschen gefährlich werden können. Dies wäre bei der PaIv Bregy gleich bei einigen Stoffen der Fall. So ist nicht nur das Fungizid Tetraconazol (PaIv Bregy Teil 1) oder das Herbizid Tri-allat (PaIv Bregy Teil 2) hoch problematisch für die Gesundheit, sondern auch das häufig verwendete Insektizid Fosthiazat.

Fosthiazat – eingesetzt gegen Nematoden und Insekten

Fosthiazat ist ein Insektizid und Nematizid, welches zur Gruppe der Organophosphaten gehört.[3] Organophosphate sind Nervengifte: Sie greifen das Nervensystem von Insekten (und anderen Lebewesen) an, indem sie ein überlebensnotwendiges Enzym[4] im Nervensystem hemmen. Das führt zu Muskelkrämpfen und schliesslich zur tödlichen Atemlähmung des Organismus.[5]

Fosthiazat wird hauptsächlich bei der Kartoffelproduktion, aber auch sonst im Gemüsebau angewendet.[6] Ziel ist die Bekämpfung von Nematoden und anderen Bodeninsekten. Eines der Hauptzielorganismen von Fosthiazat sind Wurzelgallennematoden.[7] Das sind im Boden lebende Fadenwürmer, die Pflanzen parasitieren. Sie dringen in das Wurzelsystem von Pflanzen ein und ernähren sich so von ihr. Als Reaktion auf einen Befall bildet die Pflanze sogenannte Gallen aus (siehe Abbildung 2). In der Konsequenz wird die Pflanze geschwächt und entwickelt sich schlecht. Wurzelgallennematoden parasitieren über 400 Pflanzenarten und sind damit eine bedeutende Bedrohung für die Schweizer Landwirtschaft.[8], [9]

In der Schweiz sind aktuell zwei Wirkstoffe gegen Wurzelgallennematoden zugelassen. Mit Fosthiazat könnte somit in Zukunft ein dritter dazukommen.

Abbildung 2: Wurzelgallennematoden können grosse Schäden in der Landwirtschaft verursachen. Links gesunde Tomatenpflanze, rechts Tomatenwurzeln mit Gallenbildung, verursacht durch eine Wurzelgallennematode. Bild: Paul Dahlin, Agroscope

Fosthiazat – zunehmende Popularität

In den Referenzländern der PaIv Bregy ist Fosthiazat in allen Ländern zugelassen – mit Ausnahme von Österreich. Besonders auffällig sind die Verkaufszahlen in den Niederlanden (siehe Abbildung 3). Dort stieg der Absatz in den vergangenen Jahren deutlich an, von 46 auf 116 Tonnen jährlich. Damit zählt Fosthiazat zu den 15 meistverkauften Wirkstoffen in den Niederlanden.[10] Dieser Anstieg entspricht einem weltweiten Trend: Auch global wird in den kommenden Jahren ein deutliches Wachstum der Verkaufsmenge von Fosthiazat erwartet.[11]

Abbildung 3: Verkaufsmengen vom Wirkstoff Fosthiazat für die drei Länder Frankreich, Deutschland und die Niederlanden im Zeitraum 2019 bis 2023. Für Frankreich lagen keine Daten für das Jahr 2023 vor. Quellen: Ministères aménagement du territoire transition écologique (FR), Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (DE), www.rijksoverheid.nl (NL)

Fosthiazat – schädigt nicht nur Insekten

Fosthiazat gehört zur gleichen Wirkstoffgruppe wie das hochgiftige Chlorpyrifos – ein Organophosphat, das aufgrund seiner gesundheitsschädlichen Wirkung mittlerweile verboten ist. In der Schweiz und der EU wurde Chlorpyrifos 2020, in den USA 2022 vom Markt genommen. Ausschlaggebend waren die erheblichen Risiken für die Gesundheit, insbesondere für Kinder. Denn es kann bei Embryonen und Kleinkindern das Gehirn schädigen.[12]

Wie Chlorpyrifos wirkt auch Fosthiazat durch die Hemmung eines bestimmten Enzyms im Nervensystem. Das Problem: Dieses Enzym kommt nicht nur bei Schädlingen vor, sondern auch beim Menschen. Seine Blockierung kann schwerwiegende Auswirkungen auf die neuronale Funktion haben – ein Risiko, das bei allen Organophosphaten grundsätzlich besteht.

Dieses Risiko für neuronale Schädigung ist nun auch offiziell für Fosthiazat bestätigt. Kürzlich wurden die Gefahrenhinweise für Fosthiazat um den Hinweis auf mögliche Neurotoxizität erweitert (siehe Infobox). Grundlage dafür sind Studien an Säugetieren, bei denen nach wiederholter Verabreichung des Wirkstoffs neurotoxische Symptome beobachtet wurden – darunter Muskelzittern, Atemstörungen und beeinträchtigte Motorik.[13]

Gefahrenhinweise Fosthiazat

Gemäss der offiziellen EU-Kategorisierung gelten die folgenden Gefahrenhinweise für Fosthiazat:

  • Giftig bei Verschlucken
  • Gesundheitsschädlich bei Hautkontakt
  • Kann allergische Hautreaktionen verursachen
  • Giftig bei Einatmen
  • Sehr giftig für Wasserorganismen
  • Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung

2023 hat der europäische Ausschuss für Risikobewertung (RAC) folgende Gefahrenhinweise ergänzt:

  • Schädigt das Nervensystem und die Nebennieren bei längerer oder wiederholter Exposition
  • Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen
  • Kann das Kind im Mutterleib schädigen
  • Kann Säuglinge über die Muttermilch schädigen

Fosthiazat – Risiko für schwangere Frauen

Nebst der Neurotoxizität wurde in der europäischen Risikobeurteilung[13] auch eine reproduktionstoxische Wirkung von Fosthiazat auf Säugetiere festgestellt. Beispielsweise führte eine wiederholte Aufnahme von Fosthiazat bei trächtigen Tieren zu Störungen der Fruchtbarkeit und der Embryonalentwicklung. Eine Übersicht der beobachteten Effekte auf Muttertiere und Nachkommen, die analog für den Menschen gelten, zeigt Abbildung 4.

Abbildung 4: Effekte, die bei wiederholter Aufnahme von Fosthiazat auf Säugetiere gefunden wurden. Da keine Daten für den Menschen direkt existieren, wird von analogen Effekten ausgegangen. Eigene Darstellung mit Angaben aus RAC (2023): Opinion proposing harmonised classification and labelling at EU level of fosthiazate.

Die Ergebnisse der Studien und die Risikobewertung des RACs machen deutlich: Fosthiazat ist keineswegs harmlos.

Fazit

Mit Fosthiazat reiht sich ist eine weitere Substanz mit gefährlichen Folgen für die menschliche Gesundheit in das von der PaIv Bregy betroffene Wirkstoffportfolio ein. Kommt eine wiederholte Exposition mit dem Wirkstoff zustande – etwa durch belastetes Trinkwasser –können schwerwiegende Folgen auftreten: von neurologischen Störungen über eine verminderte Fruchtbarkeit bis hin zu gestörter Kindesentwicklung.

Das Risiko, mit Fosthiazat (oder anderen schädlichen Wirkstoffen) in Berührung zu kommen, könnte in den zugelassenen Referenzländern geringer sein als in der Schweiz. Deswegen müssen zwingend die Standortbedingungen der Schweiz beachtet werden. Häufiger Niederschlag und ein dichtes Drainagesystem erhöhen hierzulande das Risiko, dass Pflanzenschutzmittel in Gewässer gelangen. Besonders dann, wenn es sich um einen gut wasserlöslichen Stoff wie Fosthiazat handelt.[6]

Ein blinder Import von Zulassungsentscheidungen aus dem Ausland ist daher fahrlässig. Wer sich auf Nachbarländer beruft, ohne die lokalen Umweltbedingungen einzubeziehen, riskiert vermeidbare Gesundheitsgefahren. Eine Umwelt- und Gesundheitsprüfung im Zulassungsverfahren ist daher unerlässlich – alles andere widerspricht dem öffentlichen Interesse. Die Absicht der PaIv Bregy untergräbt dieses Interesse.


[1] Statista (2025): Durchschnittlicher monatlicher Niederschlag in ausgewählten Ländern Europas im Zeitraum 1980 bis 2023. (abgerufen am 26.05.2025)

[2] Koch & Prasuhn (2020): Drainagekarte Schweiz: Erstellung einer Karte potentiell drainierter Flächen in der Schweiz mittels «Machine Learning»

[3] United States Environmental Protection Agency (EPA) (2005): Pesticide Fact Sheet. Fosthiazate.

[4] Acetylcholinesterase (AChE)

[5] DocCheck Flexikon: Organophosphate. (abgerufen am 26.05.2025)

[6] University of Hertfordshire (2025): Pesticide Properties DataBase. Fosthiazate. (abgerufen am 26.05.2025)

[7] Natursim (2022): Was ist Fosthiazat? (abgerufen am 26.05.2025)

[8] Agroscope (2025): Wurzelgallennematoden. (abgerufen am 26.05.2025)

[9] Hortipendium (2015): Wurzelgallennematoden. (abgerufen am 26.05.2025)

[10] Ministerie van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit (2023):  Afzetgegevens van gewasbeschermingsmiddelen in Nederland in 2023 per werkzame stof in kg

[11] Dataintelo (2023): Fosthiazate Market. (abgerufen am 26.05.2025)

[12] Eurofins (2024): Verbot von Chlorpyrifos und Chlorpyrifos-methyl in der EU und den USA. (abgerufen am 26.05.2025)

[13] Committee for Risk Assessment (RAC), ECHA (2023): Opinion proposing harmonised classification and labelling at EU level of fosthiazate.

Wir schreiben selbstständig. Der Verein ohneGift verzichtet auf den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) beim Verfassen von Texten.

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