Maiswurzelbohrer: Fruchtfolge statt Gift

In den meisten Schweizer Kantonen gilt 2024 ein Anbauverbot von Mais auf Mais. Grund dafür ist der aus Nordamerika stammende Maiswurzelbohrer. Was hinter dieser Massnahme steckt, zeigen wir in diesem Blogartikel.
Schadbild am Maiskolben durch den Maiswurzelbohrer. Quelle: https://futterwiesenexpertehumer.com/2019/08/16/bauern-kontrolliert-den-mais-bevor-er-umfaellt/
Oktober 7, 2023
Solène Schaub

Kleiner Käfer, grosses Schadenpotential

Der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) ist ein 4 bis 7 mm grosser Käfer aus der Familie der Blattkäfer, der ursprünglich aus Nordamerika stammt. Dort ist er für grosse Ernteausfälle auf den Maisfeldern verantwortlich und gilt als bedeutender Schädling dieses Futtermittels. Der Schaden entsteht dadurch, dass einerseits die Käferlarven, welche im Boden leben, die Maiswurzeln abfressen, andererseits sich die adulten Tiere von Blättern und Maisbart (= Narbenfäden vom Mais) ernähren. Durch den Wurzelfrass werden die Pflanzen instabiler und die Nährstoff- und Wasseraufnahme wird limitiert. Dadurch wird die Pflanze geschwächt und kann bei starkem Befall sogar umknicken oder absterben. Durch die fehlenden Narbenfäden können die Maiskörner nicht vollständig befruchtet werden und reifen nicht heran (siehe Bild rechts). So können Ernteausfälle von bis zu 50% entstehen. [1]

Diabrotica virgifera virgifera (Westlicher Maiswurzelbohrer)
Quelle: Erwin Holzer http://www.natur.vulkanland.at/arten/692

Situation in der Schweiz

In den 1990er Jahren wurde der Maiswurzelbohrer nach Europa verschleppt und ist seit 2000 auch in der Schweiz zu finden. In der Schweiz gilt der Käfer als Quarantäneorganismus. Das bedeutet, dass ein Verdacht auf den Käfer dem kantonalen Pflanzenschutzdienst gemeldet werden muss und eine allgemeine Bekämpfungspflicht herrscht [2]. Für die Überwachung werden seit 2020 über das gesamte Schweizer Maisanbaugebiet ca. 200 Pheromonfallen (locken die Insekten durch artspezifische Duftstoffe an) aufgestellt. Die nachfolgende Karte zeigt die Fundorte und gesperrten Gebiete von 2023. Aufgrund der diesjährigen Fangzahlen von beinahe 7’000 Käfern in 23 Kantonen [3] gilt in den allermeisten Teilen des Maisanbaugebiets für 2024 ein Anbauverbot von Mais auf Flächen, in welchen 2023 bereits Mais angebaut wurde (leicht abweichend im Kt. LU [4]).

Fallenstandorte und ihr Fundstatus aus dem Jahr 2023. Quelle: Agroscope

Insektizide sind keine Lösung

In den USA wurde der Maiswurzelbohrer langjährig mit den stärksten und zugleich umweltschädlichsten Insektiziden wie DDT, Lindan, Endosulfan, Chlorpyryfos, Carbamaten und synthetischen Pyrethroiden bekämpft. Das hat allerdings nur dazu geführt, dass der Käfer gegen alle diese Insektizide resistent wurde [5]. Einmal mehr zeigt sich, dass die Anwendung von Giften gegen Schadinsekten keine nachhaltige Lösung ist. Es sind heute in der Schweiz auch keine Insektizide gegen den Maiswurzelbohrer zugelassen.

Das Fruchtfolgesystem der Schweiz ist jedenfalls die bessere Strategie. Mit der Anpassung der Fruchtfolge ist gemeint, dass auf demselben Feld und in einem Umkreis von 10 km ab einem Befallsherd nicht zwei Jahre nacheinander Mais angebaut werden darf [2]. Dies verhindert die Ausbreitung des Käfers sehr effektiv, da die Eier im Boden überwintern und die Larven im Frühling nur überleben, wenn sie eine Wirtspflanze (bevorzugt Mais) vorfinden. Dieses System ist vom Prinzip her simpel und effektiv zugleich und könnte auch bei anderen Schädlingen eine Lösung bieten. Durch diese Strategie konnte sich der Maiswurzelbohrer bislang in der Schweiz nicht in schädlicher Weise etablieren. Allerdings steigen die Fangzahlen von Jahr zu Jahr. Das Problem sind die Nachbarländer, wo nicht mit dem Fruchtfolgesystem gearbeitet wird. Von dort gelangen die Käfer jedes Jahr in die Schweiz. Obwohl die Tierchen nur gut 5 mm lang sind, können sie bis zu 70 km weit fliegen [1].

Wo liegt das Problem?

Zwei Faktoren machen einen Befall durch den Maiswurzelbohrer überhaupt erst problematisch:

  • Anbau von Mais auf grossen Flächen in Monokulturen
  • Grosser Maisbedarf für die Tierindustrie


Wären die Flächen, auf welchen Mais angebaut wird, kleiner und die angebauten Kulturen durchmischter, könnten gar nicht erst Käferpopulationen in schädlichem Masse entstehen. Und wäre der Bedarf für die Tierindustrie nicht so gross, müsste gar nicht erst so viel Mais angebaut werden, beziehungsweise wäre der Druck für eine hohe Ernte nicht so gross. In der Schweiz wird ein Viertel der Ackerfläche für Mais aufgewendet. Davon ist weniger als 1% Speisemais, der Rest geht als Futtermittel in die Tierindustrie [6]. Ein Grossteil des Futtermais wird für die Mast von Milchkühen verwendet, damit sie absurd hohe Milchleistungen erbringen können. Im Jahr 2022 gab eine durchschnittliche Schweizer Kuh 7’200 Liter Milch im Jahr. Je nach Kuhrasse waren es bis 10’000 Liter [7]. Zum Vergleich: im Jahr 1999 lag der Durchschnitt noch bei 5’500 Liter Milch pro Jahr [8]. Es wird damit – vom Gesetzgeber gewollt und mitfinanziert – ein Hochleistungssystem in der Milch- und generell Tierindustrie gefördert und unterhalten, welches anfällig auf Störungen ist und zugleich Anforderungen an einen zukunftsorientierten, nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen nicht erfüllt.

Die Käferpopulation über die Fruchtfolge zu bekämpfen, ist eine gute Lösung, da dieser Ansatz ohne Gifte oder sonstige schwerwiegende Eingriffe in die Natur auskommt. Jedoch ist das Problem nicht gelöst, solange entweder unsere Nachbarländer keine bessere Anbaustrategie fahren oder wir unser Agrarsystem nicht neu denken (weg vom Fokus auf der Produktion von tierischen Kalorien hin zu mehr pflanzlichen Kalorien und alternativen Anbaumethoden, wie z.B. Permakultur). Zukünftig ebenfalls interessant könnte der Anbau von Sorghum anstelle von Mais werden. Die aus Afrika stammende Hirsenart erfüllt gemäss heutigem Wissenstand die qualitativen Anforderungen sowohl als Futtermittel als auch für die Humanernährung [9]. Darüber hinaus ist die Pflanze sehr trockenheitsresistent und kann nicht vom Maiswurzelbohrer befallen werden [10]. Wir möchten jedoch betonen, dass der Umstieg von Mais auf eine alternative Kultur das systemische Problem von Monokulturen und der Intensivierung in der Landwirtschaft nicht löst und auch da in Zukunft grosse (bisher noch nicht bekannte) Schädlingspopulationen ein Problem werden könnten.

Quellen:

[1] Sostizzio, T., Bünter, M. & Breitenmoser, S. (2020). Westlicher Maiswurzelbohrer. Agroscope Merkblatt, 121.

[2] Bundesamt für Landwirtschaft BLW (2019). Richtlinie Nr. 6, Bekämpfung des Maiswurzelbohrers (Diabrotica virgifera virgifera).

[3] Weibel, J. & Büntner, M. (2023). Überwachung von Diabrotica virgifera virgifera in der Schweiz (2000 – 2023). Agroscope.

[4] Landwirtschaft und Wald (lawa) (2021). Merkblatt Pilotprojekt Maiswurzelbohrer Kanton Luzern.

[5] Mainke, L. J., Souza, D. & Siegfried, B. D. (2021). The Use of Insecticides to Manage the Western Corn Rootworm, Diabrotica virgifera virgifera, LeConte: History, Field-Evolved Resistance, and Associated Mechanisms. https://doi.org/10.3390/insects12020112

[6] SRF (2014). Schweizer Mais: Immer mehr und mehr. https://www.srf.ch/news/schweiz/schweiz-schweizer-mais-immer-mehr-und-mehr (04.10.2023)

[7] Schweizer Bauernverband (2023). Milchstatistik der Schweiz 2022. Seite 35.

[8] Schweizer Bauernverband (2001). Milchstatistik der Schweiz 2000. Seite 23.

[9] Agroscope. Sorghum (Sorghum bicolor (L.) Moench). https://www.agroscope.admin.ch/agroscope/de/home/themen/pflanzenbau/ackerbau/kulturarten/alternative-kulturpflanzen/sorghum.html/ (04.10.2023)

[10] Agroscope (2023). Maiswurzelbohrer. https://www.agroscope.admin.ch/agroscope/de/home/themen/pflanzenbau/pflanzenschutz/agroscope-pflanzenschutzdienst/geregelte-schadorgnismen/quarantaeneorganismen/diabrotica.html (04.10.2023)

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