Biozide: in der Landwirtschaft verboten, für Laien erlaubt

Jede und jeder kann sie direkt ab Regal kaufen: Ameisenmittel, sogenannte Biozide. Aber diese schaden wichtigen Insekten, der Biodiversität und den Wasserlebewesen, viele davon sind darum in der Landwirtschaft verboten. Auf Spurensuche im Jumbo, Landi und co. 

Ein Regal voll giftiger Biozide.
Juni 4, 2023
Georg Odermatt

Im frühen Sommer steigt der Einsatz von Ameisenschutzmitteln wieder stark an. Sie sind im Detailhandel frei verkäuflich und können von jeder und jedem erworben werden. Allerdings töten sie nicht nur die Ameisen, sondern verursachen auch Schäden bei wichtigen Insekten, der Artenvielfalt und den Wasserlebewesen, weshalb viele dieser Mittel in der Landwirtschaft verboten sind.

Ameisen werden von vielen Naturliebhabern als Feindbild betrachtet. Sie möchten die kleinen Krabbeltiere mit allen Mitteln von Haus, Balkon, Terrasse, Garten oder Wegen fernhalten. Dabei werden oft giftige Wirkstoffe eingesetzt, die bereits in geringen Mengen schädlich sind. Diese Mittel töten nicht nur weitere Insekten im Garten, sondern können auch Wasserorganismen schädigen, wenn sie beispielsweise mit Regenwasser in Gewässer gelangen. Der Kampf gegen Ameisen wird mit harten Bandagen geführt. Ein Beispiel ist das Gießmittel „Capito“, das von Landi vertrieben wird. Es enthält die Insektizide Etofenprox und Tetramethrin, die für alle Insekten, die im selben Lebensraum wie Ameisen leben und ihre Nester im Boden anlegen, sehr giftig sind.

Jeder kann lesen, aber auch umsetzen?

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) geht davon aus, dass Kunden von Supermärkten und Gartencentern die Gefahrenhinweise lesen, verstehen und die Mittel „vernünftig“ anwenden. Jedoch sind die Produktbeschreibungen oft nicht ausreichend aufschlussreich. Ein Beispiel dafür ist das Produkt „Matil“ von Maag, welches den gefährlichen Wirkstoff Pyrethrine enthält. Dennoch dürfen Laien es weiterhin im Haus, auf der Terrasse und sogar im Garten verwenden. Der Jumbo preist das Maag-Produkt als wirksames Gift gegen Ameisen an, sagt jedoch auch, dass „die Freisetzung in die Umwelt vermieden werden soll“. Doch wie soll das möglich sein, wenn das Produkt im Garten eingesetzt wird?!

Wieso sind Ameisen wichtig?

Ameisen sind nützliche Lebewesen und tragen zur Artenvielfalt bei. In der Schweiz gibt es 132 einheimische Ameisenarten, von denen 46 Arten gefährdet sind [1]. Sie erfüllen wichtige ökologische Funktionen wie die Verbreitung von Samen, das Fressen von Pflanzen und das Züchten von Pilzen. Ameisen tragen zur Bodenpflege bei, indem sie den Pflanzen mit ihren unterirdischen Gängen helfen, bessere Wurzeln zu entwickeln und fruchtbaren Humus zu bilden. Sie tragen auch zur Verbreitung von Pflanzensamen und beseitigen Ameisen tote Tiere. Weiter dienen sie als Nahrungsgrundlage für andere Tiere wie Kröten, Vögel, Eidechsen und Spinnen.

Leider stehen bei Jumbo, Landi und co. nicht nur gefährliche Biozide, sondern auch Insektizide im Regal. In unserem Blogbeitrag vom September 2021 haben wir auf das gefährliche Insektizid Kendo vom mit dem Wirkstoff Lambda-Cihalotrin aufmerksam gemacht. Doch nichts ist passiert – weiter kann es jeder und jede wie auf dem Bild gezeigt direkt ab Regal kaufen – mit verheerenden Folgen für die Umwelt.

Es gibt auch umweltfreundlichere Hausmittel gegen Ameisen, die weniger schädlich für die Umwelt sind (siehe Kasten) als die genannten Biozidwirkstoffe wie Etofenprox, Tetramethrin und Pyrethrine. Trotzdem bleiben sie für Laien frei zugänglich. In der Landwirtschaft sind sie längst verboten.

Der Verein ohneGift fordert darum, dass bekannte umweltgiftige Biozide für Privatpersonen verboten werden.

Quellen

[1] https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/chemikalien/fachinformationen/sorgfaeltiger-umgang-mit-biozidprodukten/schaedlingsbekaempfung-v2/ameisen2.html

Und was macht man gegen Ameisen?

Wenn es erforderlich ist, Ameisen gezielt zu bekämpfen, gibt es einige bewährte Hausmittel. Da Ameisen über einen sehr ausgeprägten Geruchssinn verfügen, werden sie durch Zimt, Nelken, Zitrone, Chili, Lavendel-, Minzenöl oder Essig vertrieben. Wenn es wirklich ums Töten geht, ist das bekannteste Hausmittel gegen Ameisen Backpulver – in Verbindung mit Zucker eine tödliche Mahlzeit. Auch Kaolin hat sich bewährt, ein simples Steinpulver, das die Atemwege der Ameisen verstopft. Ein hilfreiches Merkblatt dazu gibt es auch vom Pestizid Aktions-Netzwerk.

In Fällen von problematischen Ameisenpopulationen im Haus, wie beispielsweise bei der winzigen, aber hartnäckigen Pharaonenameise, ist es ratsam, professionelle Schädlingsbekämpfer hinzuzuziehen. Es ist jedoch wichtig sicherzustellen, dass diese keine umweltschädlichen Gifte verwenden, da diese Substanzen auch für den Menschen schädlich sein können.
Ein Befall mit holzschädigenden Ameisen, welche Schäden an der Bausubstanz verursachen können, soll professionell mit Heißluft oder mit Kälte (flüssigem Stickstoff) bekämpft werden, so dass vollständig auf biozidhaltige Holzschutzmittel verzichtet werden kann. Als Laie sollte man in jedem Fall von der Verwendung von Giftstoffen Abstand nehmen.

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