Baldiges EU-Aus für fünf hormonschädliche Pestizidwirkstoffe – wann zieht die Schweiz nach?

Die meisten EU-Mitgliedsstaaten stimmten Mitte Oktober 2023 für den Vorschlag der EU-Kommission, eine Gruppe von fünf Pestizid-Wirkstoffen entweder nicht zu genehmigen oder die Genehmigung nicht zu erneuern . Es handelt sich dabei um die Substanzen Asulam-Natrium, Benthiavalicarb, Clofentezin, Metiram und Triflusulfuron-methyl.
Pixabay, @Erich Westendarp
November 3, 2023
Georg Odermatt

Die Prüfung und Bewertung der fünf Wirkstoffe basierten auf den Richtlinien zur Identifizierung von hormonell aktiven Pestiziden und Bioziden (siehe Box „Hormongifte“), die 2018 verabschiedet wurden. In den Jahren 2021 bis 2023 bestätigte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), dass sämtliche dieser fünf Wirkstoffe die festgelegten Kriterien für endokrine Störungen in Bezug auf die menschliche Gesundheit erfüllen (siehe z.B. Beurteilung für Metiram). Es wird darum davon ausgegangen, dass diese fünf Wirkstoffe (und die dazugehörigen Produkte) bald offiziell von der EU-Kommission verboten werden.“

Hormongifte (EDCs)

Endokrine Disruptoren, auch als Hormongifte bekannt, stellen eine weltweite Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Umwelt dar, da sie den Hormonhaushalt stören. Dies birgt ein erhebliches Risiko, insbesondere während den Entwicklungsphasen von Menschen und Tieren. Zahlreiche Pestizide und Biozide gehören in diese Gruppe.

Vielfältige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit

Jahrzehnte wissenschaftlicher Forschung haben deutliche Verbindungen zwischen EDCs und Gesundheitsproblemen nachgewiesen, selbst bei äusserst geringen Konzentrationen. Daher ist es schwierig, klare Schwellenwerte für sichere Exposition festzulegen. Die gesundheitlichen Auswirkungen umfassen die Förderung von hormonbedingten Krebserkrankungen, Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit, neurologische Auswirkungen wie Verhaltensstörungen und Lernschwierigkeiten sowie die Förderung chronischer Erkrankungen wie Diabetes und Fettleibigkeit. Diese Effekte können sogar über Generationen hinweg sichtbar werden. Viele EDCs können in Kombination wirken und besonders für die Entwicklung von Ungeborenen und Kindern eine Gefahr darstellen. Über die gesundheitlichen Auswirkungen von endokrinen Disruptoren hat der Verein ohneGift schon mehrmals berichtet, unter anderem in „PFAS sind das neue PCB!“.

In der EU werden die Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe von der EU-Kommission (entspricht in der Schweiz dem Bundesrat) zugelassen bzw. nach einer Überprüfung alle zehn Jahre kann die Zulassung erneuert werden. Die Anträge für diese Entscheidungen kommen von der EFSA. Die PSM selbst werden jedoch von den Mitgliedstaaten bewilligt. In der Schweiz erfolgt die Wirkstoffzulassung durch das EDI (Eidgenössische Departement des Innern) und die Bewilligung der Produkte durch das BLV (Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen), welches ebenfalls dem EDI angehört.

Wegweisender Entscheid für die Zukunft?

Das sich anbahnende Verbot der fünf Wirkstoffe könnte nun den Beginn weiterer Ausschlüsse von EDCs markieren. Viele Pestizide wurden noch nicht auf ihre endokrinen Eigenschaften hin untersucht oder befinden sich noch in der Prüfungs- und Bewertungsphase. Dass ein Rückzug der Wirkstoffe auch für die Schweiz von Relevanz ist, zeigt sich anhand der nachstehenden Tabelle, in welchem für alle Wirkstoffe die Verkaufsmenge, sowie die Anzahl von zugelassenen Produkten aufgeführt ist.

Tabelle der fünf Wirkstoffe mit verkaufter Menge und Anzahl der zugelassenen Produkte in der Schweiz.

Der zu erwartende Widerruf dieser Wirkstoffe in der EU hat nichts damit zu tun, dass die Behörden besonders streng sind, sondern dass die Vorschriften der Pflanzenschutzmittelverordnung der EU und der Schweiz zum Verbot von endokrinen Disruptoren endlich umgesetzt werden. Diese bestehen seit 2009 und wurden erst 2018 in einer Richtlinie konkretisiert. Ergo: es hat über zehn Jahre gedauert, bis mit der Umsetzung der Vorschriften endlich begonnen wurde. Sobald diese Wirkstoffe in der EU verboten werden (vermutlich noch dieses Jahr) erwartet der Verein ohneGift, dass die Schweiz unverzüglich nachzieht und die Bewilligungen für Produkte mit diesen Wirkstoffen widerruft.

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